Weißer Rauch über Schwarzer Pumpe beim DOKfest Leipzig

Weißer Rauch über Schwarzer Pumpe von Martin Gressmann

Deutscher Wettbewerb Dokumentarfilm

Deutschland 2025, 89 Minuten

28.10., 31.10. und 1.11.2025

„Eine filmische Untersuchung“, steht zu Beginn des Films eingeblendet. Als wäre es wissenschaftliches Werk, oder ein politisches Verhör. Es geht um die Jahre 1990 bis 1991 und um 2019 bis 2025.

Baggerabrissarbeiten. Rangieren Eisenbahnen. Fließendes Gewässer. Es dauert lange, bis man den ersten Menschen im Bild sieht, bis das erste Wort gesprochen wird. Die Spree durchquert das Areal aus den 50er Jahren, sagt die Off-Stimme.

Man sieht den Dampf, den Rauch der Fabrikanlagen. Es geht um die Situation im Lausitzer Braunkohlegebiet in den Jahren nach dem Mauerfall: „rückgebaut, abgewickelt“, aber noch existiert das Kombinat Schwarze Pumpe.

Ein Betonarbeiter beim Angeln. Für ihn wird sich Ende des Monats herausstellen, ob seine Fabrik bankrott ist. Aber er wirkt an der Oberfläche gleichgültig. Viele müssten sich nach einem neuen Job umsehen. Das Angeln wirkt beinahe als Überlebensmaßnahme, mehr denn als Hobby.

Ein junger Mann äußert sich über die Umweltverschmutzung der Schwarzen Pumpe. Aber eigentlich juckt es ihn nicht so sehr, er geht eh in den Westen. Wie so viele. Auch seine Vater geht in den Westen, zur Bahn als Lokführer. Soll man sich wehren? Aber eigentlich hätte das doch jeder gewollt, den Kapitalismus, sagt der junge Mann. Autos kaufen. Die D-Mark. Reisen. Aber die Nachteile hätte keiner gesehen.

Man meint den Menschen ihre Unsicherheit anzusehen, als sie das örtliche Arbeitsamt betreten. Manche haben ein hilf- und ratloses Lächeln im Gesicht. Ob sie sich gewehrt hätte, wird eine Frau gefragt. Eigentlich nicht, man sei vorbereitet gewesen.

„Die alten Aufnahmen riechen nach Phenol und Braunkohlestaub“, schreibt Jan Künemund im Festivaltext zum Film. „Zwei Dokumentaristen waren im Frühjahr 1991 im ehemaligen Energiedreieck der DDR um die Orte Spremberg, Hoyerswerda und Schwarze Pumpe unterwegs. Sie forderten inmitten der Verzweiflung und Resignation Analysen.“ Doch genau diese Resignation ist den Menschen ins Gesicht geschrieben, bis auf jenen, die eine Chance im Westen finden. „Es gab eigentlich nichts zu wehren“, sagt die junge Frau, die keinen neuen Job finden wird, zumindest vorerst nicht.

Es sei sinnlos, überhaupt zum Arbeitsamt zu gehen, stellen drei Männer resigniert fest. Was einem, finde ich, da in den Sinn kommt ist, dass wir uns zu diesem Zeitpunkt gerade einmal ein gutes Jahr nach dem Mauerfall befinden, wenige Monate nach der Wiedervereinigung. Wie krass, wie schnell, wie umfänglich die Stimmung vom Jubel am 9.11.1989 und am 3.10.1990 gekippt ist hin zu dieser Resignation, zu dieser Einsicht dass nichts getan werden kann. Hilflosigkeit auf ganzer Linie. Noch nicht einmal Verzweiflung. Eigentlich auch nicht Wut. Der Betrieb hat dichtgemacht, so ist das eben. Schlecht, aber man kann es ja nicht ändern. Hätte da nicht Verzweiflung kommen müssen? Oder vielleicht Hoffnung? Oder Wut? – Nichts. Resignation. „Es ist sinnlos zu fragen.“ – „Bald geht’s uns ooch mal wieder besser“, sagt einer und man sieht ihm an, dass er das nur so sagt, aber nicht meint. Ein anderer: „Wenn keene Arbeit da ist, dann ist keene da!“

Ob’s in der DDR besser gewesen sei, wird eine Frau gefragt. „Eigentlich ja. Man musste nicht fürchten, dass die Arbeit verloren geht.“ Und auf eine Frage hat exakt niemand eine Antwort: „Wie stellen Sie sich die Zukunft vor?“ Und dann scheint sie doch durch, die Verzweiflung, bei einer jungen, alleinerziehenden Mutter.

Und dann der Wechsel in die Gegenwart, beziehungsweise die jüngere Vergangenheit. „Dreißig Jahre später sind Martin Gressmann und die Dokumentaristen von 1991 noch nicht fertig mit den Brüchen und offenen Wunden der Industrie-Abwicklungen direkt nach der Wende“, schreibt Jan Künemund. „Der Abgleich der Historie – voller trüber Luft und Menschen, die sich vor der Kamera verstecken – mit der scheinbar beruhigten Gegenwart ist nicht Make-over-tauglich; die Braunkohlefolgelandschaften sind noch nicht hübsch, die Spree ist nur halbwegs geklärt, das Kraftwerk gehört immer noch zu den europäischen Hauptverursachern von CO2-Emissionen. Oft muss man zweimal hinschauen, um zu verstehen, dass man in den Bildern einen wesentlichen Zeitsprung gemacht hat.“

Das Leben hat die Menschen, die noch dort leben aber in viele verschiedene Richtungen getrieben. Manche hatten einfach Glück, waren zur rechten Zeit am rechten Ort und fanden wieder Jobs, die sie erfüllten. Manchen wurden nie wieder richtig glücklich, manchen sieht man ihre Frustration an, andere wiederum fanden sich mit ihrer Situation zurecht. Aber es gibt auch eine Nachfolgegeneration, die kurz davor ist, zu resignieren. Ein junger Familienvater, seit einigen Wochen arbeitslos, meint: „Zum Arbeitsamt braucht man nicht zu gehen, man weiß, dass es da nichts gibt. (…) Man sitzt zu Hause rum und man kann nüscht unternehmen.“

Ich finde der erste Teil über die Zeit nach der Wende eigentlich den interessantesten Teil dieses Dokumentarfilms, einfach weil er die größere Geschlossenheit hat. Alle waren in einer vergleichbaren Situation. Der zweite, der Gegenwartsteil zeigt, und das ist auch eine wertvolle Erkenntnis: Manchen ging’s inzwischen gut, manchen nicht. Dinge entwickeln sich eben. Mal zum Guten malbzum schlechten. Und das hilft mir dann aber nicht so riesig dabei weiter, zu verstehen, wie die Befindlichkeiten in Schwarze Pumpe 35 Jahre nach dem Mauerfall sind.

Aber immerhin erleben wir am Schluss dann wiederum eine junge Generation, die durch ihre Vielfalt glänzt, von sportlichen Erfolgen träumt, erfüllende Arbeitsplätze findet, sich in Vereinen betätigt etc. Und das gibt doch eine Menge Zuversicht und Hoffnung. Von einem guten Abschluss träumen die jungen Menschen, wie sie sagen. Von einem guten Beruf. Und: Sie wollen in der Gegend bleiben.

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