Der Dokumentarfilm ÜBER UNTERBIBERGER von Matthias Ditscherlein eröffnete die Hofer Filmtage

ÜBER UNTERBIBERGER von Matthias Ditscherlein

Trompete vor den Pyramiden von Gizeh, siehe oben. So beginnt ÜBER UNTERBIBERGER, der Eröffnungsfilm der Hofer Filmtage. Der Untertitel: Vom Woid in die Welt. Regie: Matthias Ditscherlein.

Aber aus der Welt zurück in die Heimat da wo’s losging: Unterbiberg. Unterbiberg ist ein Ortsteil von Neubiberg. In Unterbiberg gibt’s die alte Zwiebelturmkirche St. Georg. Die Firma Infineon hat in Unterbiberg ihren Unternehmenssitz. Wir befinden uns südöstlich von München, quasi mit der Großstadt zusammengewachsen. Und die S5 fährt hin.

Franz Himpsl ist ein Tausendsassa, Hühnerbesitzer, Sportler, Familienvater, Lehrer, Trompeter, Chaot und Begründer der „Unterbiberger Hofmusik“. 1992 wurde die Gruppe gegründet, als Familienband. Deren Internetseite vermeldet folgendes über Himpsl: „Franz Josef Himpsl, der aus dem kleinen Dorf Mutzenwinkel am Brotjacklriegel im Bayerischen Wald stammt, hat einen weiten Weg hinter sich. Nach Klosterschule und Abitur fand er seinen Weg nach München und studierte dort sowohl Schulmusik für Realschule als auch Trompete auf Diplom. Nach kürzeren Engagements bei diversen Orchestern (wie z.B. den Münchener Philharmonikern) wurde er Lehrer für Sport und Musik. Da er sich immer vor allem im modernen Bereich weiterbilden wollte, besuchte er 1991 einen Jazz Meisterkurs mit dem Trompeter Claudio Roditi.“

Da denk ich mir: Wat? Eine Doku über eine bayerische Volksmusikcombo eröffnet ein Filmfestival? Die Hofer Filmtage? Warum das denn? Aber die Unterbiberger Hofmusik, bestehend unter anderem aus den Familienmitgliedern, Frau Irene und die Söhne Xaver, Ludwig und Franz jr., bricht mit den Traditionen der bayerische Volksmusik. Die Gruppe macht Weltmusik, mischt Bayerisches mit Jazz und was sonst so an musikalischen Einflüssen aus der Welt kommt. Also eine Familiengruppe plus Andrew McNaughton, ein australischer Jazztrompeter, der auch schon lange mit den Unterbibergern spielt. Brasilianer, Türken, Syrer haben auch schon mitgespielt. Globaler geht’s kaum. Jazz ist ein bisschen wie Esperanto, meint Franz irgendwann. Esperanto, die künstliche Weltsprache. Aber manchmal wurde man für diese Weltmusik auch beschimpft. Oder für die bayerische Volksmusik. Man kann – und will es ja aber gar nicht jedem recht machen. „Es darf nicht einfach bei MacDonalds enden“, sagt Franz. Der Ursprung der musikalischen Vielfalt lag wohl im Lehrerberuf von Franz Himpsl, als er nämlich, Zitat, in der Bronx von München unterrichtete und dort auf türkische Schüler und deren Musik stieß. Und zwar: Über die türkischen Putzfrauen der Schule. Grandios, die Geschichten, die der Bandleader erzählt. Stundenlang kann man ihm zuhören. Die Geschichten aus der Kindheit, aus der bayerischen Provinz. Aus der Welt. Ich komme gar nicht mit, alles zu notieren, was erzählenswert ist.

Und dann geht’s nach Marrakesch, auf Einladung des Goethe-Instituts, aber erstmal wird im Flieger gespielt, zur Begeisterung der Fluggäste. Und Arabisch kann er auch noch, der Franz.

„Mit ÜBER UNTERBIBERGER fängt der Filmemacher Matthias Ditscherlein auf besondere Weise ein, was Musik jenseits von Genres und Grenzen bedeuten kann“, sagt Thorsten Schaumann, der künstlerische Leiter der Hofer Filmtage. „Ein fein beobachtetes, offenes Porträt – und ein Film, der zeigt, wie nah sich Menschen kommen können, wenn sie einfach zuhören.“

Recht hat er, aber eigentlich, möchte man meinen, scheint der Regisseur Matthias Ditscherlein eher nicht dafür geeignet zu sein, eine Doku über bayerische Musik zu machen. Schließlich ist er 1988 in Rodewisch im Vogtland geboren, studierte Fernsehjournalismus in Leipzig an der Fernseh Akademie & HTWK. Dann stieß er zum Vogtland Regional Fernsehen in Plauen, regionaler scheint’s kaum zu gehen. Es folgten diverse Dokumentarfilme und Kurzdokumentarfilme, bald war er dem Musikalischen und dem Bayerischen auch im Film verbunden. 2016 gab es zum Beispiel die Doku „Deutscher Evangelischer Posaunentag“, 2018 die Kurzdoku „Bavarabica“, für die er schon den Unterbibergern begegnete. 2020 war er schon mal in Hof, mit der Doku „Kinomann“ über Helmut Göldner aus Sachsen-Anhalt, der mit seinem mobilen Kino durchs Land zieht und Filme vorführt. Und nun eben „Über Unterbiberger“. So vielfältig wie das Leben der Unterbiberger ist, so ist auch dieser Film, mal springt er hin, mal her, erst in die Welt, dann wieder in die Provinz. Und so ein bisschen chaotisch ist deswegen auch diese Besprechung geworden. Kurz: Ditscherlein gelingt ein grandioses Porträt, voller Musik, voller Erzählfreude, voller Lebensreude. Ein bewegtes Leben, sagt Franz Himpsl einmal. Ein fantastisches Stück Film. „Zwei Sachen: Die eine ist Respekt. Und die andere ist: Nicht in die Hosen scheißen.“ Merk ich mir.

HARD CASH von David Füsgen ist der Kurzfilm, der im Programm vor dem Hauptfilm läuft.

2012 DAS GLÜCK DA UNTEN, Dokumentarfilm
2015 HADI TSCHÜSS, Dokumentarfilm
2016 DEUTSCHER EVANGELISCHER POSAUNENTAG, Dokumentarfilm
2018 BAVARABICA, Kurzdokumentarfilm
2020 KINOMANN, Dokumentarfilm  HOF 2020
2025 ÜBER UNTERBIBERGER, Dokumentarfilm  HOF 2025

Regisseur: Matthias Ditscherlein
Schauspieler: Franz Himpsl, Irene Himpsl, Xaver Himpsl, Ludwig Himpsl, Franz Jr. Himpsl
Jahr 2025, Länge 92 Minuten, Genre: Dokumentarfilm
Produktion: Matthias Ditscherlein

https://stream.hofer-filmtage.com/movies/uber-unterbiberger

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert