DELEGATION von Asaf Saban beim Internationalen Filmfestival Mannheim Heidelberg

ENGLISH VERSION BELOW

Regie: ASAF SABAN
PL/ IL/ DE 2023 101 MIN

Regisseur ASAF SABAN
Land/Länder PL/ IL/ DE
Jahr 2023
Dauer 101 MIN

Eine aufgedrehte Klasse heranwachsender Schülerinnen und Schüler aus Israel unternehmen eine Klassenreise, so wie viele israelische Schulklassen sie unternehmen: Nach Polen, zu den ehemaligen deutschen Vernichtungslagern. Erste Anlaufstelle für die Jugendlichen ist einer der größten jüdischen Friedhöfe Osteuropas, ein bedrückender Ort für die jungen Menschen auf der Suche nach der Geschichte ihrer Vorfahren. Nitzan, Ido und Frisch sind die drei Protagonist*innen des Films, die aber eben auf dieser Reise, schließlich sind sie 17, auch Flausen im Kopf haben, oder gerade verliebt sind, oder am Ablästern über ihre Mitschüler*innen sind. Im Reisebus, der durch Polen gondelt, sind sie auch eng zusammengepfercht, man kennt das. Diese Reise ist so etwas wie ein Ritual des Erwachsenwerdens für diese jungen Menschen aus Israel, das bezieht sich aber nicht nur auf dem Weg zum besseren Verständnis des Völkermords, des Schicksals ihrer Vorfahren, sondern eben auch auf ihren Weg als Heranwachsende. Die üblichen Geschichten unter den Jugendlichen gibt es: Sie wollen nicht rechtzeitig ins Bett, sondern feiern, die Lehrerin muss sie alle in ihre Zimmer treiben, und und und.

Aber außer den Schülern und den Begleitpersonen ist auch ein Mann dabei, der die Erfahrung für die Schüler*innen noch konkreter machen kann: Frischs Großvater Yosef, der selbst ein Überlebender der Shoa ist.

In den Konzentrationslagern hören die Jugendlichen dann die Geschichten über den Holocaust, wie die Waggons eng gedrängt voller Menschen waren, wie es nichts zu essen gab, wie den Menschen die Haare geschoren wurden, die vielfachen Geschichten über den Tod. Und an einem Abend setzt die Klasse sich zusammen und Yosef beginnt seine eigene Geschichte zu erzählen, wie er damals, noch jünger als die Schüler*innen jetzt sind, zur Schule ging, in ein Mädchen, Anna, verliebt war, vor lauter Scheu aber zwei Jahre nicht ein Wort mit ihr gesprochen hatte. Als Yosef eines Tages erfuhr, dass Anna auch jüdisch war, und dass auch sie auf eine Schule für Jüdinnen und Juden wechseln musste, begann er mit ihr zu reden. Auf dieser – Schule kannte die beiden niemanden sonst, was Anna und Yosef eng aneinanderschweißte. Das alles hätte er, meint Yosef mit verschmitztem Humor, nur Hitler zu verdanken gehabt, ohne den er nie so mit Anna zusammengekommen wäre.

Immer dabei auf der Reise ist auch ein Mann, der für die Sicherheit der Jugendlichen verantwortlich ist und sie immer wieder ermahnt, in der Öffentlichkeit nicht zu zeigen, dass sie Juden sind. Das könne gefährlich sein. Immer wieder hält er Ansprachen an die Gruppe, zeigt Sicherheitsvideos.

Aber für einige der Jugendlichen – insbesondere für die emotional angeschlagene Nitz – ist das Erlebte nur schwer zu verarbeiten. Manche der jungen Menschen sind überfordert, bei manchen spiegelt diese Überforderung aber auch die emotionalen Sorgen als Jugendliche wider. Und Frisch hat seinen Kopf einfach mit seinen Emotionen als Jugendlicher voll. Bald überfordert ihn das alles und er haut ab…

Regisseur Asaf Saban ist 1979 in Israel geboren. Seinen Abschluss machte er am Beit Berl College, einer Universität nördlich von Tel Aviv. Beeindruckend verwebt Saban die Geschichte und die Befindlichkeiten der Jugendlichen mit deren Erleben dieser bedrückenden Reise in die jüdische Vergangenheit. Saban lässt sich Zeit damit, die Jugendlichen zu beobachten, hin und wieder bekommen wir das Gefühl, dass die Reise für die Jugendlichen aber auch zu so etwas wie einem bloßen Ritual werden könnte, dass die Reise zu dicht gepackt ist, als dass die jungen Menschen genügend die Möglichkeit hätten, sich mit dem Erlebten emotional auseinanderzusetzen. Und hin und wieder bekommen wir auch das Gefühl, dass den Schüler*innen auf dieser Reise auch Luft gelassen werden müsste, damit sie sich mit ihren eigenen, gegenwärtigen Sorgen und Gefühlen auseinandersetzen können. Selbst zwischen Yosefs Erzählungen im Bus gibt es dann schnell noch, gegen den Protest der Jugendlichen, Steven Spielbergs „Schindlers Liste“ zu sehen. Ist dies der richtige Weg, Geschichte zu vermitteln? Saban sorgt sich jederzeit darum, auf diese Fragen keine simplen Antworten zu geben. Er lässt vieles offen, überlässt vieles dem Zuschauer, der sich selbst bald in diesem emotionalen Spagat wiederfindet zwischen den bedrückenden Bildern und Worten aus den Konzentrationslagern einerseits und den Emotionen der Heranwachsenden, mit denen wir ebenso mitfühlen. Asaf Saban gelingt es, daraus einen berührenden und beeindruckenden Film über das Lernen über die Shoa einerseits – und einen überzeugenden Coming of Age-Film andererseits zu verweben.

DELEGATION (Ha’Mishlahat) ist Asaf Sabans zweiter Spielfilm. Er lebt und arbeitet in Tel Aviv.
Der Film war auf dem Jüdischen Filmfest Berlin Brandenburg (13.-18. Juni 2023) zu sehen und läuft nun beim Internationalen Filmfestival Mannheim Heidelberg.

Programm: https://www.iffmh.de/festival/unser-filmprogramm/filme/delegation/index_ger.html

ENGLISH VERSION

A high-spirited class of adolescent schoolchildren from Israel undertake a class trip, just as many Israeli school classes do: to Poland, to the former German death camps. The first point of contact for the young people is one of the largest Jewish cemeteries in Eastern Europe, a depressing place for young people searching for the history of their ancestors. Nitzan, Ido and Frisch are the three protagonists of the film, but on this journey, after all they are 17, they also have crazy ideas, or are currently in love, or are gossiping about their classmates. In the coach that drives through Poland, they are also packed tightly together, you know that. This trip is something like a ritual of growing up for these young people from Israel, but this does not only refer to the path to a better understanding of the genocide, the fate of their ancestors, but also on their way as adolescents. There are the usual stories among young people: They don’t want to go to bed on time but want to party, the teacher has to drive them all to their rooms, and and and.

But in addition to the students and those accompanying them, there is also a man who can make the experience even more concrete for the students: Frisch’s grandfather Yosef, who himself is a Shoah survivor.

In the concentration camps, the young people then hear the stories about the Holocaust, how the wagons were crowded with people, how there was nothing to eat, how people had their hair shaved, the multiple stories about death. And one evening the class gets together and Yosef begins to tell his own story, how he went to school, even younger than the students are now, and was in love with one girl, Anna, but out of sheer shyness they hadn’t spoken to each other in years. When Yosef found out one day that Anna was also Jewish and that she too had to go to a school for Jews, he started talking to her. At this school, the two knew no one else, which welded Anna and Yosef close together. Yosef says with a mischievous sense of humor that he owed all of this to Hitler, without whom he would never have gotten together with Anna.

Always on the trip is a man who is responsible for the safety of the young people and repeatedly warns them not to show in public that they are Jews. That could be dangerous. Again and again he gives speeches to the group and shows security videos.

But for some of the young people – especially for the emotionally stricken Nitz – the experience is difficult to process. Some of the young people are overwhelmed, but for some this overwhelm also reflects the emotional concerns of young people. And Frisch just has his head full of his emotions as a teenager. Soon it all overwhelms him and he runs away…

Director Asaf Saban was born in Israel in 1979. He graduated from Beit Berl College, a university north of Tel Aviv. Saban impressively interweaves the story and the sensitivities of the young people with their experience of this oppressive journey into the Jewish past. Saban takes his time observing the youngsters, but at times we get the feeling that the journey could become something of a mere ritual for the youngsters, that the journey is too packed for the young people had enough opportunity to deal emotionally with what they had experienced. And every now and then we also get the feeling that the students should also be given some space on this journey so that they can deal with their own current concerns and feelings. Even between Yosef’s stories on the bus, Steven Spielberg’s “Schindler’s List” can be seen, against the protests of the young people. Is this the right way to convey history? Saban is always concerned about not giving simple answers to these questions. He leaves a lot open, leaves a lot to the viewer, who soon finds himself in this emotional balancing act between the depressing images and words from the concentration camps on the one hand and the emotions of the adolescents, with whom we also sympathize. Asaf Saban succeeds in weaving a touching and impressive film about learning about the Shoah on the one hand and a convincing coming of age film on the other.

DELEGATION (Ha’Mishlahat) is Asaf Saban’s second feature film. He lives and works in Tel Aviv.

The film has been screened at the Berlin Brandenburg Jewish Film Festival (June 13-18, 2023) and will now be part of the International Filmfestival Mannheim Heidelberg.

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