
Regie: Piet Baumgartner | Schweiz 2024 | 94 Min. | FSK ab 12 | Schweizerdt. mit dt. UT
Der Baggerfirma von Vater Paul (Phil Hayes), Mutter Conny (Bettina Stucky) und Sohn Daniel (Vincent Furrer) verlangt von allen volle Aufmerksamkeit, aber die Familie ist an einem schwierigen Punkt. Daniels 19-jährige Schwester ist bei einem Kanuunfall vor einigen Monaten tödlich verunglückt. Paul muss funktionieren und ist auf die Hilfe seines Sohnes Daniel angewiesen, doch Daniel ist selbst gerade an einem Wendepunkt in seinem Leben: Er weiß gar nicht, ob er die Firma seines Vaters wirklich übernehmen will, zunächst will er im Ausland Management studieren – und dann ist da noch sein Arbeitskollege Philipp: Daniel ist nämlich schwul und verliebt – und wie seine Eltern das wirklich aufnehmen, kann man gar nicht so genau sagen. Irgendwann stellt sich heraus, dass Conny von allem viel mehr überfordert ist, als eh schon zu erwarten. Sie versucht sich umzubringen, oder zumindest ist die Tablettendosis ein Hilfeschrei der Verzweiflung. Sie muss in therapeutische Behandlung, aber damit kann sie sich eigentlich gar nicht abfinden. Nun wird aber Daniel noch viel mehr zu Hause gebraucht, vor allem als er von seinem Vater hört, dass dies nicht der erste Suizidversuch seiner Mutter war. Paul, der immer nur funktionieren muss, und dem es schwer fällt, über seine Gefühle zu reden, trifft nun auf die neue Chorleiterin, zu der er sich hingezogen fühlt. Es ist die ganze Familie, die erst lernen muss, über Trauer, Zukunftsangst, Liebe zu reden – keiner von den dreien konnte das. Vielleicht findet sich eine eigene Art des Ausdrucks für die Familie? Irgendwann tanzen die Bagger in der Kiesgrube Ballett…
Piet Baumgartner findet in seinem Spielfilmdebüt poetische Geschichten und Bilder, um von der Sprachlosigkeit einer Familie zu erzählen. Ich habe viel zu selten die Gelegenheit, in deutschen Kinos Schweizer Filme zu sehen, aber ich mag mich an mehrere Filme der letzten Jahre erinnern, wo es um die Verbindung von dörflichen Lebenswelten, Traditionen, Arbeitsalltag, aber auch Kommunikationsbarrieren geht. Das für mich eindrücklichste Beispiel der letzten Jahre war „Drei Winter“ von Michael Koch aus dem Jahr 2022, und „Bagger Drama“ gehört genau in diese Reihe – übrigens ebenso wie das auch auf dem Max-Ophüls-Festival vertretene Werk „Les Courageux“ von Jasmin Gordon. Vielleicht ist das eine Thematik, eine Stilrichtung, eine Strömung, die das Schweizer Gegenwartskino ausmacht und ihm eine erzählerische Stärke verleiht. Jedenfalls ist diesem starken, eindringlichen Film bitte unbedingt ein deutscher Kinostart zu wünschen.
„Hat Ihnen Ihre Familie beigebracht, über Gefühle zu sprechen? Eine Familie scheint unzerstörbar, außer sie tut es selbst. Ich bin erstaunt und fasziniert zugleich, wie wenig man innerhalb einer Familie auszusprechen vermag, was einem am meisten beschäftigt. Dort, wo ich herkomme, werden Probleme nicht besprochen, man trägt solche Dinge mit sich selbst aus. Mein Weg aus diesem Familien-Vakuum ist das Erzählen. Interessanterweise wird die Geschichte weder besser noch schlechter, aber das Erzählen schafft eine Distanz. So kann ich als Beteiligter selbst die Geschichte aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Dann kann die Verarbeitung beginnen. Es ist meine bisher persönlichste Arbeit.“ (Piet Baumgartner)
Regie-Biographie
Piet Baumgartner
Geboren 1984 hat er seinen Master in Filmregie an der Zürcher Hochschule der Künste absolviert. Aktuell führt er als Visual Artist Regie für Film und Theater. Seine Interessen liegen bei Menschen, Maschinen und Gefühlen. Der Ursprung von BAGGER DRAMA liegt im Musikvideo „Through My Street“, welches 2015 mit dem Musiker Rio Wolta entstand. Das Filmfestival Max Ophüls Preis zeigte 2024 seinen Film THE DRIVEN ONES im Wettbewerb Dokumentarfilm.
Filmografie
2011 ALLE WERDEN (KF)
2013 ELITE (KF)
2015 TROUGH MY STREET (KF)
2015 INLAND (KF)
2023 THE DRIVEN ONES (Dok)
2024 BAGGER DRAMA (SF)