EIN ABEND IM DEZEMBER von Matthias Kreter bei den Hofer Filmtagen 2025

EIN ABEND IM DEZEMBER von Matthias Kreter

Driving home for Christmas… Das Lied kommt nicht vor, hätte wahrscheinlich zu viel gekostet für diesen Film, aber das ist es, was Annika, die in München Informatik studiert, macht, sie fährt durch die winterliche Landschaft nach Hause, mit dem Zug, in die Nähe von Frankfurt. Ihre Mutter Monika empfängt sie liebevoll und voller Freude, aber gleich zu Beginn gibt es zwei Hinweise darauf, dass die Welt für Annika in ihrer alten Heimat vielleicht nicht so fein ist, wie es auf den ersten Augenblick aussieht: Wieder mal hat sie ihre Ohrenschmerzen und braucht Tropfen. In München hat sie das nie. Und der eigentliche Star der Familie ist inzwischen Annikas Schwester Maya, eine gefeierte und preisgekrönte Musikerin, die aber noch nicht da ist, sie will noch in Frankfurt ausgehen, in einen Club, das sagt sie aber nur Annika, die es der Restfamilie verheimlichen soll. Ein schwerer metallener Notenschlüssel ist irgendein Preis, den sie gewonnen hat. So schwer so bedeutend muss er sein.

Onkel Detlef, Monikas Bruder, ist auch bereits gekommen, für Thomas, Annikas Stiefvater eher ein Störenfried, schließlich hinterlässt er eine Pfütze mit seinen nassen Schuhen und raucht auch noch im Haus. Aber: Detlef ist eigentlich der einzige im Haus, dem Annika sich öffnen kann. Ihm erzählt sie, dass sie davon träumt, ihr Studium zu schmeißen, das sie möglicherweise eher Mutter und Stiefvater zuliebe studiert, stattdessen erwägt sie nach Italien zu gehen um Meeresbiologie zu studieren. Dann kommt auch schon Thomas‘ Geschäftspartner samt Lebensgefährtin – Musikagentin, die auch zum Adventsdiner geladen sind. Man ahnt früh, die Gästekombination lässt Raum für sich entwickelnde Spannungen: Thomas‘ Wichtigtuerei, Monikas Getue um ihre abwesende Lieblingstochter, die sie der Musikagentin anpreisen möchte, Detlefs Sozialunverträglichkeit.

Doch dann trifft eine dramatische Botschaft ein: In der Frankfurter Innenstadt hat es einen Anschlag gegeben, ein Auto ist in einen Club gerast, mit vielen Toten und Verletzten. Das ändert alles am Verlauf des Abends. Annika läuft es eiskalt den Rücken hinunter: Ist ihrer Schwester etwas passiert? Nur Annika weiß von den Plänen ihrer Schwester – aber ans Handy geht sie nicht ran. Sie versucht Freunde zu kontaktieren und etwas herauszufinden. Währenddessen ist der Anschlag der Zündfunke für die Auseinandersetzungen zwischen den Anwesenden. Trauern? Nach Hause gehen? Weiteressen? So tun als ob nichts wäre? Die Stimmung beginnt hochzukochen.

Dann klingelt es an der Tür. Doch Maya ist es nicht, es ist ihr Freund, der sie eigentlich besuchen wollte – und keine Ahnung davon hat, dass Maya wohl in Frankfurt ausgehen wollte.

Man wird bisweilen fast überfahren von der Vielfalt der Handlungsfäden, die angelegt werden, manchmal denkt man, das wären aber locker zwei oder drei Fäden zuviel, dann werden diese Fäden aber wieder erstaunlich und verblüffend zusammengeführt und verknotet. Manches nervt einen im Verlauf des Films, um gegen Ende dann zu einer akzeptablen Auflösung zu finden. Dann wieder nerven einen die künstlich gegeneinander konstruierten Charaktere, die sich dann elegant im Lauf des Films von einander weg oder zueinander hin bewegen – und am Schluss dann viel weniger konstruiert wirken, als man sich das im Lauf des Films gedacht hat. „Ein Abend im Dezember“ ist ein Kammerspiel, wie sie es schon viele gab, das aber dennoch immer wieder überraschende Wendungen ermöglicht, bei denen man dann denkt, dass man das in der Form vielleicht auch noch nicht gesehen hat.

„Ein Abend im Dezember“ ist Matthias Kreters Kinodebüt, nach Regieerfahrungen, die er mit Kurz-, Image- und Werbefilmen gesammelt hat. Studierte hat er „Motion Pictures“ an der Hochschule Darmstadt. Im Jahr 2015 wurde er vom israelischen Außenministerium nach Jerusalem eingeladen. Dann studierte er an der Filmakademie Baden-Württemberg Szenische Regie.

Kreter gelingt es, diesen durchaus heiklen Stoff mit vielen Handlungsfäden und Wendungen zu bewältigen, kriegt eigentlich fast immer die Kurve, wenn die Charaktere drohen ins Klischee abzugleiten. Bei ein paar dieser Handlungsfäden ist es vielleicht auch zu offensichtlich, in welche Richtung sie führen (Busse, Migranten etc.), und ein paar der Charaktere sind vielleicht etwas zu sehr auf Konflikt und Handlungsentwicklung gebürstet. Bisweilen hätte ich mir gewünscht, dass diese Handlungsfäden auch mal ausfransen, ins Poetische abgleiten – ein bisschen ist Annikas Zugbekanntschaft eine solch offenere Figur. Trotz allem: Ich mochte den Film sehr, Kreter hinterlässt in der Tat einen sehr vielversprechenden Erstlingsfilm.

EIN ABEND IM DEZEMBER von Matthias Kreter

EIN ABEND IM DEZEMBER
Drehbuch & Regie: Matthias Kreter
Mit Katharina Stark, Nicole Marischka, Lukas Miko, Christian Erdmann, Valery Tscheplanowa, Sebastian Rudolph, Zsa Zsa Hansen, Soufiane El Mesaudi
Deutschland 2025 | 100 Minuten

Der Film startet im Herbst 2026 bundesweit in den Kinos. 

Uraufführung auf den Hofer Filmtagen
Freitag, 24. Oktober um 20.00 Uhr im Central 3

Wiederholungen
Samstag, 25. Oktober um 15.15 Uhr im Central 1
Sonntag, 26. Oktober um 17.45 Uhr im Central 3

EIN ABEND IM DEZEMBER von Matthias Kreter


CREDITS

DREHBUCH & REGIE
Matthias Kreter

PRODUKTION
Nicolas Kronauer
Marie Marxmeier

KOPRODUKTION
Alexandra Rilli
Laura Mahlberg

REDAKTION
Stefanie Groß (SWR)
Barbara Häbe (arte)

KAMERA
Marc Tressel-Schmitz

TON
Till Kauffer

SZENENBILD
Max-Josef Schönborn

KOSTÜM
Anna-Luisa Vieregge

MASKE
Milena Niehues
Anna Vinogradova

SCHNITT
Frauke Tietjen

CAST
Katharina Stark
Nicole Marischka
Lukas Miko
Christian Erdmann
Valery Tscheplanowa
Sebastian Rudolph
Soufiane El Mesaudi

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