„Ich habe als Lehrer unterrichtet mit dem Ziel, dass die Kinder klug werden und irgendwann später einmal einen guten Beruf lernen“, erzählt eine der Lehrerinnen von damals. Die Erziehung zur sozialistischen Persönlichkeit, sagt sie, gehörte dazu. „Wir haben nicht alles so politisch betrachtet. Es war eine Lebensform für die Kinder.“
Einer der Schüler, der 1987 eingeschult worden war, hatte einen schulbekannten Namen. Seine Schwester Carina, war die „Gestörte“, die im Wald wohnte. Sie hatte eine Verhaltensproblematik, die Lehrer kamen nicht mir ihr zurecht. Sie tobte, hatte Wutanfälle. Dann wurde immer die ältere Schwester geholt, die sich um sie kümmerte und sich um sie beruhigte.
„In unserer sozialistischen Gesellschaft ist das Erziehungsziel, die sozialistische Persönlichkeit“, schallt es von einem Tonband aus der damaligen Zeit. „Ein Mensch mit den Eigenschaften einer sozialistischen Persönlichkeit zeichnet sich aus vor allem durch solides Wissen und Können und eine gute Arbeitseinstellung.“ Charaktereigenschaften wie Hilfsbereitschaft, Ehrlichkeit, Bescheidenheit, Verantwortungsgefühl für sich und andere, so die Stimme vom Tonband, gehören zu einer sozialistischen Persönlichkeit.
Die Schule in der Nähe von Guben, in der Brandenburger Oberlausitz steht seit 1997 leer. Die Schüler und Lehrer von damals erinnern sich heute, an eine Schulzeit in der DDR. Mit Wehmut, mit Einsicht in Fehler, mit Verklärung, mit Schuldbewusstsein, mit Desillusionierung, auch mit Wut reagieren die Protagonisten des Dokumentarfilms auf ihre Erinnerungen an die damalige Zeit. Manches ist dem ein oder anderen peinlich.
HEIMATKUNDE ist ein spannender Dokumentarfilm über noch gar nicht so lang vergangene Zeiten in der DDR, über Kindheit und Schule in einem sozialistischen Gesellschaftssystem. Dem Filmemacher Christian Bäucker, geboren 1980 in Eisenhüttenstadt, gelingt eine Dokumentation über das DDR-Schulsystem, insbesondere über die Polytechnischen Oberschule „Hans Beimler“ in Bärenklau in Brandenburg, das für alle Seiten interessant ist, für Menschen aus dem Westen, die nur das eigene West-Schulsystem erlebt haben (über das ich gerne auch eine solche Dokumentation sehen würde), für ältere Menschen aus dem Osten, die das Schulsystem der DDR noch selbst erlebt haben – und für jüngere Menschen, die erfahren wollen, wie ihre Eltern in der DDR zur Schule gegangen sind. Die Erzählungen gehen einem in jedem Fall nahe.
Empfehlenswert.
HEIMATKUNDE läuft bei der diesjährigen Ausgabe des achtung berlin-Filmfestivals: https://achtungberlin.de/
Regie: Christian Bäucker
Kamera: Joanna Piechotta