Dir.: Mareille Klein
Kinostart / Release date: Sep 29, 2022 [Germany]
ENGLISH VERSION BELOW
Helga (Ulrike Willenbacher) wohnt in der Nähe von München, ist im Rentenalter, eigentlich könnte sie das Leben genießen, in ihrem schönen Haus mit Garten. Aber Sie ist weitgehend unglücklich. Ihr Mann Franz (Ueli Jäggi) hat sie vor zwei Jahren wegen einer Jüngeren verlassen, sie reden nicht mehr miteinander. Sie ist immer noch traurig, wütend, verletzt. Freundinnen hat sie, mit denen sie ins Konzert geht und die zum Kartenspielen kommen, aber die sind alle noch verheiratet, haben mit ihrem eigenen Leben zu tun. Beim Versuch, eine große Spinne an der Decke ihrer Wohnung einzufangen fällt sie vom Stuhl, bricht durch den Dielenboden durch und steckt nun fest. Verzweifelt hämmert sie gegen die Terrassentür. Aber es führt kein Weg daran vorbei: Sie steckt fest. Auch die Nacht verbringt sie in dieser misslichen Lage. Ein Glück, dass am nächsten Morgen ihre Putzfrau Isabella (Gabriela Muskala) auftaucht, um die Wohnung zu Putzen. Die kann sie zwar auch nicht rausziehen, aber immerhin kann Helga nun einen Krankenwagen und ihre Tochter Miriam (Franziska Machens) anrufen. Zwischendurch ruft eine Freundin an, fragt wie’s ihr geht. Alles gut, heuchelt sie überzeugend. Endlich kommen die Sanitäter. Den Fußknöchel hat sie gebrochen. Irgendwann ruft dann endlich auch Tochter Miriam an, der es aber überhaupt nicht recht ist, dass Helga jetzt Hilfe benötigt. Ob’s denn wirklich so schlimm sei.
Irgendwann kommt dann Ryszard (Zbigniew Zamachowski), Pole, Isabellas Urlaubsvertretung. Der könnte eigentlich hilfreich sein. Doch Helga hat präzise Vorstellungen von den Abläufen, an die sich eine Putzkraft zu halten hat. Ryszard, Witwer, auch nicht mehr der Jüngste, aber versteht, wie sie bald merkt, gar kein Deutsch – und sie kann nicht recht Englisch. Doch dann taut das Verhältnis zwischen den beiden etwas auf. Helga braucht ihn zunächst als Begleitung ins Konzert, weil schon wieder ihre Freundin abgesagt hat. Dort sieht sie dann aber ausgerechnet ihren Mann mit seiner Neuen. Weil sonst keiner da ist, heult sie sich eben bei Ryszard aus, der aber natürlich wieder nicht viel von dem versteht, was sie sagt. Dann gehen sie halt noch spazieren und Kuchen essen zusammen.
Dann reift in Helga ein Plan: Sie will umziehen in eine kleinere Wohnung. Und Ryszard braucht sie nun öfters, weil er helfen soll, das Haus zu entrümpeln. Endlich kommen sie so richtig ins Gespräch. Ryszard erzählt, dass er als junger Mann die Weltmeere bereist hat.
Jedenfalls stellen sich jetzt eine Reihe Fragen: Warum muss Ryszard heute putzen, wo er doch mal die Weltmeere bereist hat? Was passiert, wenn Isabella wieder da ist? Entwickelt sich zwischen den beiden vielleicht ernsthaft was? Und was würden Helgas Freundinnen so sagen? Was Miriam? Kommt Miriam doch noch irgendwann zu Besuch?
Schließlich steuert der Film auf den Höhepunkt zu, ein Grillfest, bei dem die ganzen Protagonisten dann aufeinandertreffen und bei dem niemand wirklich gut wegkommt. DA KOMMT NOCH WAS ist vor allem in der zweiten Hälfte auch eine Gesellschaftssatire, in der es um die Konfrontation der gutbürgerlichen Gesellschaft mit einem Zuwanderer aus einer anderen Schicht geht, um Missverständnisse, die entstehen, wenn man sich nicht ausspricht, um Vorurteile. Aber natürlich geht es zuallererst um Einsamkeit und die Hoffnung auf Nähe.
DA KOMMT NOCH WAS ist der zweite Spielfilm der in Köln geborenen Regisseurin und Drehbuchautorin Mareille Klein, nach „Dinky Sinky“, dem wunderbar leise erzählten Kinderwunschfilm aus dem Jahr 2016 mit Katrin Röver in der Hauptrolle. Mit einem ähnlichen Tonfall untersucht Klein nun das Leben einer Frau, die eine Generation älter ist als die Sportlehrerin Frida aus „Dinky Sinky“, die so verbissen mit ihrer Lebensgestaltung beschäftigt ist. „Ich werde oft gefragt, warum ich hier eine ältere Generation erzähle und woher ich sie kenne“, sagt die Regisseurin. „Wir alle kennen ja ältere Menschen. Da steckt bestimmt etwas von meinen Eltern, Schwiegereltern, Eltern von Freunden etc. drin. Auch in der Sprache, in der Kleidung. Generell finde ich ältere Figuren spannend. Umso älter man wird, desto mehr läuft die Zeit davon, desto dramatischer werden die großen Fragen. Es wird ja immer kürzer, das Leben.“
Mareille Klein gelingt es auch bei diesem Film wieder, die verschiedenen Ebenen der Erzählung – Satire, Ironie, Humor, Distanz, Lebensdrama, Einsamkeit, Hoffnung – miteinander zu einem besonderen, zurückhaltend und größtenteil leise erzählten Film zu verknüpfen. „Ich wollte über Einsamkeit erzählen,“ erzählt Mareille Klein in einem Interview. „Nicht im Sinne von Alleinsein, sondern wie es ist, wenn man eigentlich Leute um sich hat und trotzdem einsam ist. Das wollte ich gerne in der älteren Generation erzählen. Ich finde es ganz spannend, dass eine schon ältere Frau noch einmal so vom Leben herausgefordert wird.“
Neben dem subtilen Drehbuch, das Mareille Klein selbst schrieb, steht und fällt dieser Film mit der Leistung der Hauptdarstellerin Ulrike Willenbacher – und kurzerhand: Willenbacher, die auch schon in „Dinky Sinky“ mitspielte, ist toll, verleiht diesen erwähnten verschiedenen Erzählebenen und Erzählhaltungen Leben. Für Willenbacher, die vor Dinky Sinky vor allem als Theaterschauspielerin bekannt war – und nur sporadisch einmal im Fernsehen zu sehen war – begann inzwischen eine erstaunliche TV- und Filmkarriere, die sie zu Regisseuren wie Nicolai Müllerschön und schließlich sogar zu Abel Ferrara führte, für den sie in seinem „Siberia“ eine kleine Rolle spielte. Nicht weniger beeindruckend ist die Leistung des polnischen Schauspielers Zbigniew Zamachowski, der in Polen auf eine lange Karriere zurückblicken kann und unter anderem schon bei Kieslowski gespielt hat.
Am 29. September 2022 startet DA KOMMT NOCH WAS in den deutschen Kinos.
DA KOMMT NOCH WAS
Deutschland, Schweiz 2021, 98 min
Genre: Tragikomödie
Regie: Mareille Klein
Drehbuch: Mareille Klein
Kamera: Patrick Orth
Schnitt: Mechthild Barth
Produktion: Thomas Wöbke, Philipp Trauer, Ruth Waldburger
Darsteller: Ulrike Willenbacher, Zbigniew Zamachowski, Imogen Kogge, Franziska Machens, Ueli Jäggi, Gabriela Muskala, Ulli Maier, Suly Röthlisberger, Michael Wittenborn, Gottfried Breitfuss
Preise: FIPRESCI-Kritikerpreis
Kinostart: 29.09.2022
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ENGLISH VERSION
DA KOMMT NOCH WAS (review)
Helga (Ulrike Willenbacher) lives near Munich, is retired, actually she could enjoy life in her beautiful house with a garden. But she is largely unhappy. Her husband Franz (Ueli Jäggi) left her two years ago for a younger woman, and they no longer speak to each other. She is still sad, angry, hurt. She has friends with whom she goes to concerts and who come to play cards, but they’re all still married and busy with their own lives. While trying to catch a large spider on the ceiling of her apartment, she falls off her chair, breaks through the floorboards and is now stuck. She bangs on the patio door in desperation. But there’s no getting around it: she’s stuck. She also spends the night in this predicament. Luckily, her cleaning lady Isabella (Gabriela Muskala) shows up the next morning to clean the apartment. She can’t pull them out either, but at least Helga can now call an ambulance and her daughter Miriam (Franziska Machens). In between, a friend calls and asks how she’s doing. All right, she feigns convincingly. Finally the paramedics come. She broke her ankle. At some point, daughter Miriam finally calls, but she doesn’t like the fact that Helga needs help now. Is it really that bad?
At some point Ryszard (Zbigniew Zamachowski), Pole, Isabella’s holiday replacement, will come. That could actually be helpful. But Helga has precise ideas about the processes that a cleaning lady has to follow. Ryszard, widower, also not the youngest anymore, but, as she soon realizes, doesn’t understand any German at all – and she doesn’t speak English very well. But then the relationship between the two thaws a bit. Helga first needs him to accompany her to the concert because her friend has canceled again. There she sees her husband of all people with his new girl. Because nobody else is there, she just cries to Ryszard, who of course doesn’t understand much of what she’s saying. Then they just go for a walk and eat cake together.
Then Helga came up with a plan: she wanted to move into a smaller apartment. And Ryszard needs them more often now because he’s supposed to help clear out the house. Finally, they really start talking. Ryszard tells that as a young man he traveled the seven seas.
In any case, a number of questions now arise: Why does Ryszard have to clean today when he once traveled the seven seas? What happens when Isabella is back? Is there anything serious developing between the two? And what would Helga’s friends say? What Miriam? Is Miriam coming to visit sometime?
Finally, the film heads for the climax, a barbecue where all the protagonists meet and where nobody really gets off well. DA KOMMT NOCH WAS is also a social satire, especially in the second half, which is about the confrontation of middle-class society with an immigrant from a different class, about misunderstandings that arise when you don’t speak up, about prejudices. But of course it is first and foremost about loneliness and the hope of closeness.
DA COMT STILL WHAT is the second feature film by the Cologne-born director and screenwriter Mareille Klein, after „Dinky Sinky“, the wonderfully quietly told fertility film from 2016 with Katrin Röver in the leading role. With a similar tone, Klein now examines the life of a woman a generation older than the PE teacher Frida from „Dinky Sinky“, who is so obsessed with her life. „I’m often asked why I’m telling an older generation here and where I know them from,“ says the director. “We all know older people. There is definitely something from my parents, parents-in-law, parents of friends, etc. in it. Also in the language, in the clothes. In general, I find older characters interesting. The older you get, the more time flies, the more dramatic the big questions become. Life is getting shorter and shorter.”
In this film, Mareille Klein again succeeds in linking the different levels of the narrative – satire, irony, humor, distance, life drama, loneliness, hope – into a special, reserved and mostly quietly told film. „I wanted to tell about loneliness,“ says Mareille Klein in an interview. “Not in the sense of being alone, but how it is when you actually have people around you and are still lonely. I wanted to tell that to the older generation. I find it very exciting that an older woman is once again being challenged by life in this way.”
In addition to the subtle screenplay that Mareille Klein wrote herself, this film stands and falls with the performance of the leading actress Ulrike Willenbacher – and briefly: Willenbacher, who also played in „Dinky Sinky“, is great, gives life to the different narrative levels and attitudes mentioned. For Willenbacher, who before Dinky Sinky was primarily known as a stage actress – and only appeared sporadically on television – an amazing TV and film career began in the meantime, which took her to directors such as Nicolai Müllerschön and finally even to Abel Ferrara, for the she played a small role in his „Siberia“. No less impressive is the performance of the Polish actor Zbigniew Zamachowski, who can look back on a long career in Poland and has already played for Kieslowski, among others.
On September 29, 2022, DA KOMMT NOCH WAS will start in German cinemas.
SOMETHING IS COMING
Germany, Switzerland 2021, 98 min
Genre: tragic comedy
Directed by Mareille Klein
Screenplay: Mareille Klein
Camera: Patrick Orth
Editing: Mechthild Barth
Production: Thomas Wöbke, Philipp Tragedy, Ruth Waldburger
Actors: Ulrike Willenbacher, Zbigniew Zamachowski, Imogen Kogge, Franziskamachens, Ueli Jäggi, Gabriela Muskala, Ulli Maier, Suly Röthlisberger, Michael Wittenborn, Gottfried Breitfuss
Prizes: FIPRESCI Critics‘ Prize
Theatrical release: September 29, 2022