Über zwei Schweizer Filme auf dem FILM:SCHWEIZ Festival in Berlin

WER HAT DIE KONFITÜRE GEKLAUT

Noch bis zum 21. September findet in Berlin die vierte Ausgabe eines schönen, kleinen Filmfestivals statt, FILM:SCHWEIZ, eine kleine Filmschau des aktuellen Schweizer Films, inklusive kleiner Retrospektive. Alle Filme laufen in den Eva Lichtspielen in der Blissestraße in Wilmersdorf.

WER HAT DIE KONFITÜRE GEKLAUT

Am 16. und am 19. September 2022 ist der experimentelle Spielfilm WER HAT DIE KONFITÜRE GEKLAUT (Schweiz 2022, 91 Minuten) von Cyril Oberholzer und Lara Stoll, mit Patrick Frey und Nicole Knuth zu sehen.

Aus dem Keller wurde „Erdbeerkonfi“ entwendet, also Erdbeermarmelade. Patrick, ein älterer Mann – aber eigentlich ein kleines Kind (der sich zuvor noch darüber echauffierte, dass sein ins Internet hochgeladenes Video, in dem er mit allerlei Körperteilen Pupsgeräusche erzeugte, verschwunden ist) und seine Mutter melden den Diebstahl bei der Polizei, die prompt in Person einer skurrilen Polizistin kommt, die konsequenterweise mit Patrick redet, als sei er ein kleines Kind (ist er auch, aber er wird eben von einem älteren Mann dargestellt), seine politisch unkorrekte Ausdrucksweise zu korrigieren versucht und sich auch ans Ermitteln macht. Patrick sucht auch mit. Ihm hilft das Nachbarmädchen, das oft zum Spielen rüberkommt. Gemeinsam versuchen sie, aus den vorgesungenen kryptischen Hinweisen des Furby-Spielzeugs schlau zu werden.

WER HAT DIE KONFITÜRE GEKLAUT ist ein grelles, collagehaftes Experiment, das in bunten Farben Filmszenen mit verfremdeten Videoclips mixt und mit einer schrillen Tonspur verknüpft. Gedanken-, Fantasie-, Traum-, Wahn- und Horrorwelten strömen auf uns ein. Wer fürs schrille filmische Experiment offen ist, wird hier seine Freude haben – man sollte allerdings halbwegs wissen, worauf man sich da einlässt. Ich weiß gar nicht ob das als Zielgruppenüberlegung eine Rolle spielte aber: Ich könnte mir vorstellen, dass kleinere Kinder am krassen Klamauk des Films durchaus Spaß haben könnten. Ungefähr so, wie ja kleine Kinder zum Beispiel abstrakter Kunst häufig mehr Verständnis entgegenbringen als Erwachsene. Mir selbst ist’s aber zu viel, hab zu wenig Geduld, möchte im Film nicht immer nur irritiert und verstört werden, sondern eben auch mal von Narration an die Hand genommen werden.

Als Vorfilm läuft MORGAN von Alexander Kohn (2019, 5 Minuten).

Wer hat die Konfitüre geklaut?

16. September 2022 – 20:00 Uhr

19. September 2022 – 18:00 Uhr – Wiederholung

http://filmschweiz.com/wer-hat-die-konfituere-geklaut/

Eva Lichtspiele

Blissestraße 18

10713 Berlin-Wilmersdorf

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DAS FRÄULEIN

17. September 2022 – 20:00 Uhr

Schweiz 2006 – 81 Minuten – Schweizerdeutsch und Serbisch mit deutschen Untertiteln – R: von Andrea Štaka mit Mirjana Karanović, Marija Škaričić, Ljubica Jović, Andrea Zogg, Pablo Aguilar

DAS FRÄULEIN

Ruža stammt aus Serbien, hat ihre Heimat aber vor über dreißig Jahren verlassen und lebt in Zürich. Sie ist die strenge, resolute, engagierte Leiterin der Kantine in einer Fabrik, das hat sie sich mit eiserner Disziplin erarbeitet. Ihr Alltag besteht aus einer Reihe von sich wiederholenden Momenten, es gibt kaum Überraschungen, alles ist verplant. Doch eines Tages taucht irgendwoher Ana auf. Ana ist, jung, sieht gut aus, taucht ins Leben ein. Sie fängt in Ružas Kantine an zu arbeiten. Sie stammt aus Sarajevo. Aber Ana wirkt auch irgendwie verloren, traurig, scheint kein Ziel im Leben zu haben. Ana hatte immer viel vor, wollte mit ihrem Bruder nach New York. Doch dann hatte er sich nach dem Jugoslawienkrieg umgebracht. Und dann erfahren wir, was Ana noch bedrückt: Sie ist schwer krank, braucht eine Knochenmarkspende. Ganz allmählich entwickelt sich zwischen den beiden eigenwilligen, störrischen Frauen eine vorsichtige Freundschaft, sie fahren sogar zusammen in die Berge. Hinter all dem, steht aber auch immer die Vergangenheit des Jugoslawienkrieges, der sich in die Biografien der beiden eingeprägt hat – und der im Jahr 2006, aus dem der Film stammt, erst wenige Jahre vorbei ist.

Andrea Štaka erzählt eine die Geschichte einer Freundschaft, die sich ganz langsam entwickelt – und ebenso langsam erzählt auch der Film – und genauso spröde und störrisch kommt die Geschichte am Anfang auch vorwärts. Aber man belohnt sich, wenn man sich auf diese Langsamkeit einlässt. Mit der ersten Entwicklung von Gefühlen der beiden füreinander entwickelt auch der Film ganz allmählich eine Herzenswärme, die er zuvor nicht hatte. Das spiegelt sich in den Bildern wider, die heller, lebendiger werden – und das spiegelt sich in der Tonspur wider, die sich dann auf etwas zuversichtlichere Musik einlässt. Die fröhliche Schneeballschlacht der beiden Frau bei ihrem Ausflug in den Schnee ist das Zentrum dieser narrativen Entwicklung, und es ist auch so etwas wie der emotionale Höhepunkt des Films. Štakas Film gewann im Jahr 2006 den Goldenen Leoparden der Filmfestspiele in Locarno und er hat auch heute noch nichts von seiner Kraft verloren.

Als Vorfilm läuft „Menschen am Samstag“ von Jonas Ulrich, 2020, 10′

Das Fräulein

17. September 2022 – 20:00 Uhr

http://filmschweiz.com/das-fraeulein/

Eva Lichtspiele

Blissestraße 18

10713 Berlin-Wilmersdorf

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