ACHT BERGE von Felix van Groeningen & Charlotte Vandermeersch

ACHT BERGE von Felix van Groeningen & Charlotte Vandermeersch

Kinostart (Deutschland): 12. Januar 2023

Als er 10 Jahre alt ist zieht Pietro über die Sommerferien mit seiner Mutter in ein abgelegenes Dorf, das beinahe verlassene Bergdorf Grana in den Alpen, das zu seinen stolzesten Zeiten 183 Einwohner zählte. Es gab immerhin zwei Läden, eine Schule, einen Bäcker und ein Café. Die Einwohnerzahl war indes auf 14 gesunken. Außer ihm gibt es nur noch ein Kind im Dorf: Bruno, ebenfalls 10, der bei seinem Onkel und seiner Tante auf der Alm lebt. Sein Vater arbeitet irgendwo im Ausland, über seine Mutter redet Bruno nicht. Pietros Vater ist noch in Turin, er ist Ingenieur in einer großen Fabrik, soll aber bald für den Rest der Ferien nachkommen, während Pietro mit seiner Mutter schon einmal den Sommer in Grana verbringt. Gemeinsam verbringen Bruno und Pietro eine unbeschwerte, abenteuerliche Zeit, klettern in leerstehende Häuser, streifen durch die Landschaft, bauen Flusssperren. Doch den Herbst und den Winter muss Pietro wieder ins freudlose, regnerische Turin. Sein Vater ist gestresst vom Großstadtleben und von der Arbeit, Pietro vermisst Bruno und die Unbeschwertheit des Dorflebens. Wie glücklich ist er, dass er auch im nächsten Jahr wiederkommen darf. Auch sein Vater verbringt nun mehr Zeit dort und will viel Bergwandern – Pietro kommt gerne mit. Bruno hat es trotz aller Unbeschwertheit auch nicht leicht, er muss viel auf dem Hof helfen, er lernt das Käsen, ist in der Schule etwas hinterher. Immer wieder ruft seine Tante ihn, damit er hilft, dann muss er Pietro allein lassen.

ACHT BERGE von Felix van Groeningen & Charlotte Vandermeersch

Irgendwann darf auch Bruno mit auf eine Bergewanderung, obwohl sein Onkel an solch für ihn sinnlosen Aktionen gar kein Interesse hat. Pietros Papa erzählt den Kindern von den Gletschern und deren Entstehung. Bruno ist fasziniert, dass der Papa so viel weiß. Die Nacht verbringen sie in einer Berghütte. Früh morgens brechen sie zum Gletscher auf. Es ist ein anstrengender, gefährlicher Marsch, den steilen Berg hinauf und über Gletscherspalten. Zuviel für Pietro.

Eines Tages kommen Pietros Eltern auf die Idee, dass Bruno mit nach Turin gehen könnte, dort bei ihnen wohnt und aufs Gymnasium geht. Er habe ein Recht auf Bildung, meinen sie. Aber Pietro ist dagegen, er glaubt das wäre nichts für Bruno. Es sei viel besser, wenn er Bauer und Käser würde. Bruno selbst weiß gar nicht so recht, was er will. „Turin wird Bruno kaputt machen“, sagt Pietro. Aber Bruno selbst sieht das anders, er will nicht in der Einsamkeit versauern. Aber dann kommt alles anders: Brunos Vater nimmt seinen Sohn mit, er darf nicht nach Turin. Für lange Zeit sehen sie sich gar nicht. Und sie entwickeln sich völlig unterschiedlich. Nach Jahren begegnen sie sich kurz wieder, inzwischen sind beide junge Männer. Bruno hängt mit seinen Bauarbeiterkollegen herum. Sie nicken sich nur kurz zu, haben sich nichts zu sagen. Und danach sollten sie sich 15 weitere Jahre lang nicht sehen. Aber auch mit Pietros Vater bahnt sich ein Konflikt an, bei dem es um Pietros berufliche Entwicklung du sein Verhältnis zum Leben geht. Und die Freundschaft zwischen Bruno und Pietro wird an Nähe aber auch an Dramatik wieder zunehmen.

ACHT BERGE stammt von dem belgischen Regie- und Drehbuchpaar Felix van Groeningen und Charlotte Vandermeersch. Es ist ihre erste gemeinsame Regiearbeit, zusammen schrieben sie bereits das Drehbuch zu THE BROKEN CIRCLE, das van Groeningen inszenierte. „Um ehrlich zu sein, war uns nicht klar, dass wir den ganzen Film zusammen machen würden“, meint van Groeningen. „Als der erste Corona-Lockdown kam, waren wir als Paar gerade ziemlich gebeutelt, wir befanden uns in einer tiefen Krise und nun geriet auch noch die ganze Welt aus den Fugen. Aber wir setzten uns hin und begannen zu schreiben. Irgendwie ahnten wir, dass die Arbeit an dieser unverfälschten Geschichte das Potential hatte, uns zu heilen. Und das bestätigte sich.“ Die Geschichte beruht auf dem preisgekrönten Roman des italienischen Schriftstellers Paolo Cognetti aus dem Jahr 2016.

ACHT BERGE von Felix van Groeningen & Charlotte Vandermeersch

Zum Cast des Films gehören Filippo Timi und Elena Lietti und allen voran die Darsteller, die die beiden Protagonisten als Kind, Jugendliche und Erwachsene spielten: Cristiano Sassella, Francesco Palombelli und Alessandro Borghi, die Bruno spielten – und Lupo Barbiero, Andrea Palma und Luca Marinelli, die Pietro spielten. Alle sechs tragen auf eindrückliche Weise diesen Film. Neben der Freundschaftsgeschichte zwischen Bruno und Pietro trägt die Darstellung der Natur einen enormen Beitrag zur Wirkung des Films: die Melancholie, die Schönheit der Berge – und die Gefahren, die ihnen innewohnen. Es ist auch der Kontrast zwischen der Stadt und der Einsamkeit der Berge, von dem die Geschichte insbesondere in der Kindheitsphase lebt. „Wir wollten einen monumentalen Film machen, der durch kleine Gesten erzählt wird. Eine Ode an die Verletzlichkeit und die Stärke eines jeden Lebewesens, egal ob Mensch, Tier, Pflanze oder Berg. Ohne jede Form von Zynismus“, berichten die Regisseur*innen. „Scheinbar unbedeutsame kleine Erlebnisse aus der Kindheit begleiten einen das ganze Leben lang, ohne dass man weiß warum, und ihre Bedeutung nimmt über die Jahre zu.“ Und genau diese nebenbei erzählten Details, ebenso wie die Vermeidung dramatisch inszenierter Wendungen gibt diesem Film eine überzeugende inszenatorische Wirkung. Die Freundschaft der beiden wird berührend erzählt und es gibt für mich nur einen Wermutstropfen: Geschichten, die sich über viele Jahrzehnte erstrecken, funktionieren im Roman leichter als im Film. Zu sehr zerfällt der – über zweieinhalbstündige – Film in drei Teile, zu wenig kann man sich an den Entwicklungen der Figuren festhalten, die Geschlossenheit der Geschichte ging mir irgendwann verloren.

Dennoch ist es ein sehenswerter Film, wenn man von der aus dem Roman stammenden Erzählstruktur absieht. ACHT BERGE überzeugt mit seiner Freundschaftsgeschichte ebenso wie mit der Vater-Thematik. „Es ist, als hielten sie sich gegenseitig einen Spiegel vor, der sie mit ihren eigenen Wünschen konfrontiert. Es ist eine fast zärtliche Freundschaft, geprägt von gegenseitigem Respekt, in der Rivalität keinen Platz hat. (…) Wir spüren den Schmerz, wenn sie auseinandergehen, und die pure Freude, wenn sie sich wiedertreffen. Manchmal fehlen ihnen die Worte, um dem anderen von sich zu erzählen, doch sie verbindet ein tiefes Verständnis, das auch ohne Sprache auskommt.“ Empfehlenswert.
In den deutschen Kinos ab 12. Januar 2023.

ACHT BERGE von Felix van Groeningen & Charlotte Vandermeersch

CAST

Pietro: Luca Marinelli

Bruno: Alessandro Borghi

Giovanni: Filippo Timi

Francesca: Elena Lietti

Bruno als Kind: Cristiano Sassella

Pietro als Kind: Lupo Barbiero

Pietro als Teenager: Andrea Palma

Bruno als Teenager: Francesco Palombelli

Lara: Elisabetta Mazzullo

CREW

Drehbuch & Regie: Felix van Groeningen & Charlotte Vandermeersch

Basierend auf dem Buch “Acht Berge” von Paolo Cognetti

Kamera: Ruben Impens

Editing: Nico Leunen

Musik: Daniel Norgren

Set Design: Massimiliano Nocente

Kostüm Design: Francesca Maria Brunori

Tonassistent: Alessandro Palmerini

Casting: Francesco Vedovati

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