THE ZEN DIARY at the NIPPON FILMFESTIVAL FRANKFURT

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THE ZEN DIARY at the NIPPON FILMFESTIVAL FRANKFURT


Land: Japan
Jahr: 2022
Fassung: OmU
Länge: 111 Min.
Regie: Yuji Nakae
Buch: Yuji Nakae nach der Erzählung „Tsuchi wo Kurau Hibi – 12 Monate von der Erde essen“ von Mizukami Tsutomu
Kamera: Yasuhiro Kaneko
Darsteller: Kenji Sawada, Takako Matsu

Auf den Straßen Tokios, auf der Stadtautobahn, vorbei am alten Fernsehturm, raus aus der Stadt in die Berge, wo noch eine Menge Schnee liegt. Jazzmusik ist zu hören – musikalische Metapher für die quirlige Megacity. Machiko ist mit ihrem Kleinwagen unterwegs in die Berge. Sie ist die Lektorin des Schriftstellers Tsutomu, der dort allein lebt; von seinem Schreibtisch aus auf die Berge blickend schreibt er Essays und Erzählungen, genießt die Stille, nur sein Hund ist bei ihm. Es Risshun, im Februar – der erste Tag im Frühling des traditionellen japanischen Kalenders. Es ist jener Tag, von dem an die japanischen Bauern noch heute ihre landwirtschaftlichen Tätigkeiten berechnen – das Ende des Frosts, die Aussaat, die Ernte und so weiter. Tsutomu offeriert Machiko heute zunächst getrocknete Kakifrüchte, die er im letzten Jahr selbst geerntet und getrocknet hat. Als nächstes bietet er ihr einen köstlichen Tee an – sie fühlt sich gleich wie m Himmel. Dann einen heißen Sake.

Machiko darf Tsutomus Schreibroutine stören, es ist ihm eine Freude, ihr Essen und Getränke zu bereiten. Tsutomu freut sich darüber und zelebriert diese Besuche. Und Machiko ihrerseits liebt es, von ihm umsorgt und bekocht zu werden.

Doch nun sind „Taros“ dran, Wasserbrotwurzeln. Und zwar so zubereitet, wie er es einst als Novize im Kloster gelernt hatte, erläutert Tsutomu. Unzählige Essensgänge tischt der ältere Herr der jüngeren Lektorin auf, einer begeistert sie mehr als der andere, die Nuancen vergleicht sie mit dem Mahl vom letzten Mal. Das Essen gehört genauso zur Routine wie das Gespräch der beiden darüber. Sorgfältig versucht Machiko die Details herauszuschmecken, die Säure, der Geschmack der Erde etwa.

Aber trotz allem muss Machiko streng sein, eigentlich, so meint sie, diene der Besuch ja dem Geschäft. Der Verleger erwartet das nächste Werk des einsamen Schriftstellers, Abgabetermine sind bereits verstrichen – wenigstens einen Buchtitel müsse sie dem Verleger abliefern. „The Zen Diary“ notiert er darauf auf ein Blatt.

„Keichitsu“ ist nun, im März – der Boden erwacht zu Leben. Es ist jene Zeit im Frühling, in dem die Insekten im Boden bereits die erste Wärme fühlen und zur Oberfläche kommen. Wir erfahren Tsutomus Lebensgeschichte: Als er neun Jahre alt war, wurde er Mönch in einem Zen-Kloster, weil seine Eltern nicht alle Kinder ernähren konnten. Dort lernte kochen. Mit 13 rannte er aus dem Kloster weg. Lieber wollte er sich aufs Leben einlassen, wurde Amateur-Bauer und Amateur-Koch – und er begann alles aufzuschreiben, die Kunst der Zubereitung des Reises, jede Sekunde musste er dieser Aufgabe zugewandt sein. Die Essensvorbereitung sei kein bloßer äußerer Ablauf, notiert er. Doch wer schreibt, ist allzu schnell von der Konzentration auf die Essensbereitung abgelenkt! Das Kochen nach Zen bestehe darin, das meiste aus den Lebensmitteln zu machen, schreibt er. Der Mönch sei dafür verantwortlich, das Feld mit der Küche zu verbinden. Aus dem noch schneebedeckten Garten holt er nun den Spinat, reinigt ihn sorgfältig.

Die ersten Knospen sprießen, die Fische sind im Bach zu sehen, die Schwalben sind zurückgekehrt: Es ist „Seimei“ im April, der Frühling ist nun endlich da. Die Vögel singen, der Wald ist grün, aber das Schmelzwasser aus den Bergen ist noch kalt, das spürt er sogar noch durch seine Gummistiefel, als er durch seine sumpfigen Felder watet und den ersten Wassersellerie erntet. Zu Hause reinigt er sorgfältig die Wurzeln. Und genau das, was Tsutomu als Mönch gelernt hatte – das Feld mit der Küche zu verbinden beobachteten wir nun mit allen wunderbaren Details – die Ernte, Pflege, Säuberung, Zerkleinerung, Zubereitung all der Kräuter, Farne, Wurzelgemüsen, Knollen, Knospen. Vieles hat ihm der örtliche Schreiner gezeigt, der ihm bisweilen etwas repariert, der ihm aber auch gezeigt hat, wo in der Gegend besondere Kräuter und wilde Gemüsepflanzen wachsen. Die Arbeit des Schreiners erinnert ihn an seinen Vater, weil der auch Schreiner war. Auch von seinem Vater hatte Tsutomu einige Zubereitungsarten gelernt. Auch dem begeisterten Schreiner bereitet Tsutomu daher bisweilen ein köstliches Mahl zu.

Und so folgen wir fasziniert dem Schriftsteller durch den Lauf der Jahreszeiten, beobachten ihn bei der Ernte, bei der Essenszubereitung, mit einer Langsamkeit, die uns fasziniert und uns in seinen Tages- und Jahresablauf hineinzieht. Wir sind dabei, wenn er das alles aufschreibt und notiert und über seine Alltagsphilosophie berichtet. Das ist so beiläufig erzählt, so gemächlich, so ruhig, dass wir keinen Konfliktsträngen folgen müssen. Doch dann sehen wir, was ihn auch noch bewegt: Vor dreizehn Jahren war seine Frau gestorben, immer noch hat er ein Bild von ihr in der Wohnung stehen und immer noch nicht konnte er die Asche seiner Frau loslassen. Auf einem kleinen Altar, den er ihr bereitet hat, zündet er Kerzen und Duftkerzen an und gedenkt ihrer.

In den Begegnungen mit den wenigen Menschen – auch die schrullige Mutter seiner verstorbenen Frau trifft er bisweilen – erfahren wir ganz allmählich mehr über den einsamen Bauern, Koch und Schriftsteller. Und dann bringt ein trauriges Ereignis unerwartete Aufruhr und Aktivität in das Leben Tsutomus, der sich plötzlich in emotionalen Verwirrungen wiederfindet.

Regisseur Yuji Nakae ist Anfang 60, stammt aus Kyoto und dreht mit großem Abstand immer wieder Filme, darunter Nabbie’s Love (1999), Hotel Hibiscus (2002), Koishikute (2007) und „Okinawan Midsummer Night’s Dream“ (2009). Der Film basiert auf der autobiografischen Erzählung von Mizukami Tsutomo. Mizukami wurde 1919 in der japanischen Präfektur Fukui auf der Hauptinsel Honshu geboren. Er war für seine Krimis und für seine autobiografischen Schriften bekannt, erhielt zahlreiche Auszeichnungen, 2004 starb er in Wakasa in der Präfektur Fukui.

„The Zen Diaries“ lebt vom wunderbar zurückhaltenden Spiel seines Hauptdarstellers Kenji Sawada, der seit den 1960ern in Japan zunächst als Popmusiker bekannt wurde, seit den 70ern auch immer wieder Filmrollen übernahm und schließlich mit Paul Schraders „Mishima: A Life in Four Chapters“ (1985) auch im Westen bekannt wurde.

Yuji Nakaes Film ist ein wunderbar langsam erzählter Film über Einsamkeit, Genuss, über den literarischen Schaffensprozess eines Schriftstellers, der seine Kreativität aber nicht nur im Schreiben, sondern auch im Kochen entdeckt hat. Lange braucht er, seine Gefühle zu entdecken und zuzulassen, obwohl das als Schriftsteller ja zu seiner Profession gehört. „The Zen Diary“ zieht einen in der ersten Hälfte gerade durch seine Langsamkeit, durch seine sorgfältige Beobachtung des Anbaus und der Verarbeitung von Lebensmittel in seinen Bann – um dann in der zweiten Hälfte gerade durch die wiederentdeckte Lebhaftigkeit des Protagonisten an Tempo zu gewinnen.

„The Zen Diaries“ wird Anfang Juni bei der 23. Ausgabe des traditionsreichen, wunderbaren Nippon Connection Filmfestival in Frankfurt zu sehen sein (6.-11. Juni 2023).
https://nipponconnection.com/

ENGLISH VERSION

On the streets of Tokyo, on the city highway, past the old TV tower, out of the city into the mountains where there is still a lot of snow. Jazz music can be heard – a musical metaphor for the lively megacity. Machiko is on her way to the mountains in her small car. She is the editor of the writer Tsutomu, who lives there alone; Looking at the mountains from his desk, he writes essays and stories, enjoys the silence, only his dog is with him. Es Risshun, February – the first day of spring in the traditional Japanese calendar. It is the day from which Japanese farmers still count their agricultural activities to this day—the end of the frost, sowing, harvesting, and so on. Today, Tsutomu offers Machiko dried persimmons that he harvested and dried himself last year. Next, he offers her a delicious cup of tea – she’s about to feel like heaven. Then a hot sake.

Machiko is allowed to disrupt Tsutomu’s writing routine, taking pleasure in preparing her food and drinks. Tsutomu is happy about this and celebrates these visits. And Machiko, for her part, loves to be cared for and cooked by him.

But now it’s „taros“ turn, taro. And prepared the way he once learned as a novice in the monastery, explains Tsutomu. The older gentleman serves countless courses to the younger editor, one inspires her more than the other, she compares the nuances with the meal from last time. Eating is just as much a part of the routine as the two of them talking about it. Machiko carefully tries to taste the details, the acidity, the taste of the earth.

But despite everything, Machiko has to be strict, actually, she says, the visit is for business. The publisher is expecting the next work by the lonely writer, deadlines have already passed – she has to deliver at least one book title to the publisher. He wrote down “The Zen Diary” on a piece of paper.

„Keichitsu“ is now, in March – the ground is coming alive. It is that time of spring when the insects in the ground already feel the first warmth and come to the surface. We learn Tsutomu’s life story: When he was nine years old, he became a monk in a Zen monastery because his parents could not feed all their children. There learned to cook. At 13 he ran away from the convent. He preferred to get involved in life, became an amateur farmer and amateur cook – and he began to write everything down, the art of preparing the rice, he had to be dedicated to this task every second. Preparing meals is not just an external process, he notes. But those who write are all too quickly distracted from concentrating on preparing the food! Zen cooking is about making the most of food, he writes. The monk is responsible for connecting the field with the kitchen. He now takes the spinach from the garden, which is still snow-covered, and cleans it carefully.

The first buds sprout, the fish can be seen in the stream, the swallows have returned: It’s „Seimei“ in April, spring is finally here. The birds are singing, the forest is green, but the meltwater from the mountains is still cold, he can still feel it through his rubber boots as he wades through his swampy fields and harvests the first water celery. At home, he carefully cleans the roots. And just what Tsutomu had learned as a monk – to connect the field with the kitchen we now observed in all the wonderful details – the harvesting, tending, cleaning, chopping, preparing all the herbs, ferns, root vegetables, tubers, buds. The local carpenter showed him a lot, who sometimes repaired something for him, but who also showed him where special herbs and wild vegetables grow in the area. The carpenter’s work reminds him of his father, because he was also a carpenter. Tsutomu had also learned some preparation methods from his father. Tsutomu therefore occasionally prepares a delicious meal even for the enthusiastic carpenter.

And so we follow the writer, fascinated, through the course of the seasons, watching him harvest and prepare food with a slowness that fascinates us and draws us into his daily and annual routine. We are there when he writes and notes all of this and reports on his everyday philosophy. It is told so casually, so leisurely, so calmly that we don’t have to follow any lines of conflict. But then we see what still moves him: His wife died thirteen years ago, he still has a picture of her in the apartment and he still couldn’t let go of his wife’s ashes. On a small altar that he has prepared for her, he lights candles and scented candles and commemorates her.

In the encounters with the few people – he also occasionally meets the quirky mother of his deceased wife – we gradually learn more about the lonely farmer, cook and writer. And then a sad event brings unexpected turmoil and activity into the life of Tsutomu, who suddenly finds himself in emotional confusion.

Director Yuji Nakae is in his early 60s, hails from Kyoto and has made films by far, including Nabbie’s Love (1999), Hotel Hibiscus (2002), Koishikute (2007) and „Okinawan Midsummer Night’s Dream“ (2009). The film is based on the autobiographical story by Mizukami Tsutomo. Mizukami was born in 1919 in the Japanese prefecture of Fukui on the main island of Honshu. He was known for his crime novels and for his autobiographical writings, received numerous awards, he died in 2004 in Wakasa in Fukui Prefecture.

„The Zen Diaries“ lives from the wonderfully reserved acting of its leading actor Kenji Sawada, who first became known in Japan as a pop musician in the 1960s, has also repeatedly taken on film roles since the 70s and finally starred in Paul Schrader’s „Mishima: A Life in Four Chapters“ ( 1985) also became known in the west.

Yuji Nakae’s film is a wonderfully slow-paced film about loneliness, enjoyment, and the literary creative process of a writer who discovered his creativity not only in writing but also in cooking. It takes him a long time to discover and admit his feelings, although as a writer it is part of his profession. „The Zen Diary“ draws you in in the first half precisely because of its slowness, through its careful observation of the cultivation and processing of food – only to gain pace in the second half precisely because of the protagonist’s rediscovered liveliness.

“The Zen Diaries” will be screened at the beginning of June at the 23rd edition of the traditional, wonderful Nippon Connection Film Festival in Frankfurt (June 6-11, 2023).

https://nipponconnection.com/

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