Seit nunmehr vierzig Jahren sind der Reporter und Regisseur Franz Gernstl, der Kameramann HP Fischer und der Tonmann Stefan Ravasz zusammen für das Bayerische Fernsehen unterwegs, und zwar für die legendäre, mehr mit Grimme-Preisen und Bayerischen Fernsehpreisen belohnte Serie „Gernstl unterwegs“. Sie forschen nach Individuen, schrägen Typen, ausgefallenen Lebensideen, spannenden Geschichten – und überhaupt nach dem Sinn des Lebens. „Gernstl unterwegs“ ist das Roadmovie als Fernsehdokumentarserie – und so ist auch „GERNSTLS REISEN – Auf der Suche nach irgendwas“ ein Roaddokumentarfilm über – ja was – jahrzehntelange Männerfreundschaften, die Neugierde am bayerischen Leben, über Zufälle, Begegnungen, Menschen. Gemeinsam Regie geführt haben bei dem Film Franz X. Gernstl und sein Sohn Jonas Gernstl. Franz und Jonas kochen zusammen, reden über das Leben und der Vater gestattet einen tiefgehenden Einblick hinter die Kulissen des erfolgreichen Fernsehtrios.
Papa Gernstl erzählt, wie er zum Rumfahren gekommen war, nämlich per Zufall, er ist in eine Tankstellenbesitzerfamilie hineingeboren, und da gehörte rumfahren quasi zur beruflichen DNA. Wohngemeinschaften, Frauenbeziehungen, die abenteuerlichen Endsechziger – und Jack Kerouacs berühmtes Werk „On the Road“ waren weitere Bausteine in der Entwicklung dessen, was dann „Gernstl unterwegs“ wurde. Das Fernsehen, so Gernstl, wollten sie damals Anfang der Achtziger, neu erfinden. „Und da standen wir jetzt mit unserer Idee, irgendwo auf der Schwäbischen Alb“. Also fuhren sie irgendwo als Anhalter mit. Beziehungsweise mit dem Bus, weil per Anhalter nahm sie keiner mit. Aber öffentliche Verkehrsmittel fuhren sie eh gerne, weil man da so gut Menschen kennenlernen konnte, die man dann eben einfach interviewte, über irgendwas, die Landschaft, die Gegend, das Leben. Die Kamera war, so Gernstl, wie eine Eintrittskarte in fremde Lebenswelten, in die der Punks, der Sonderlinge, aber auch der ganz normalen Menschen. Bürgermeister, Sekretärinnen, Alkis, Teppichhändlerinnen, Handelsvertreter („die deutsche Hausfrau is a bisserl konservativ“). Die Vielzahl und die Verschiedenheit der Menschen ist unglaublich faszinierend – nicht nur für Gernstl und sein Team, sondern auch für uns.
Und jetzt treffen sie einige dieser Menschen wieder – Gernstls damalige Freundin, ein Junge, Gowinda, der damals nicht bei den Sanjassins mitmachen wollte und daher drei Tage mit Gernstl als Jungreporter durch die Gegend zog – unglaublich spannend, zu sehen, was aus den Menschen heute geworden ist. Der kleine Nicht-Sanjassin ist heute Bühnenbauer und ITler. Sind die Menschen heute glücklich? Glücklicher als damals? Jeder hat seine eigene Antwort. Der Vater mit seinem Down-Syndrom-Sohn, eine süße, vertraute Vater-Sohn-Beziehung – nun, 25 Jahre später, suchen sie die beiden wieder auf: Markus, der Sohn, arbeitet heute in einer Autozubehörfirma – und die beiden sind immer noch ein so lebensfrohes Eltern-Kind-Gespann – beim Grasmähen, Posaune spielen usw. Eine großartige Szene.
Mit leichtem Schwung kreiert Gernstl quasi eine Langzeitbeobachtung, dieses wundervolle Dokumentarfilmgenre das so viel vom Leben erzählt und so tolle Möglichkeiten bietet. Und Gernstl nutzt diese Möglichkeiten, durch seine Empathie, durch seine wundervolle Fähigkeit, die richtigen Fragen zu stellen – und zuzuhören. Mindestens genauso spannend ist jener Teil, in dem Gernstl und seine Kollegen – oder Freunde, untersuchen, was diese Langzeitfernsehserie so ausmacht. Was ein gutes Gespräch, einen guten Gesprächspartner und was einen guten Film ausmacht. „Gernstls Reisen“ ist ein wundervoller, lohnenswerter, berührender kleiner Dokumentarfilmschatz geworden.
In den deutschen Kinos startet „GERNSTLS REISEN – Auf der Suche nach irgendwas“ am 5. Oktober 2023. Im Jahr 2006 war bereits „Gernstls Reisen – auf der Suche nach dem Glück“ in den Kinos zu sehen, den Vorläufer gibt es derzeit bei „filmfriend“ als Stream.