WALL OF DEATH. Motodrom. Die älteste reisende Steilwand der Welt. Seit 1928
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Beiträge von F. Dering und M. Götting
224 Seiten, 150 Abbildungen in Farbe
22 x 33 cm, gebunden
HIRMER PREMIUM
Leineneinband mit Prägung, Coffee-Table-Format
ISBN: 978-3-7774-4289-1
Als Florian Holzherr sechs Jahre alt ist bestaunt er an der Hand seines Großvaters das „Motodrom“ auf dem Münchner Oktoberfest. Eine Steilwand auf der waghalsige Motorradfahrer im Kreis fahren, mit knatternden Motoren. Eine Attraktion. Eine Sensation. Wahre Helden, Draufgänger. Diese Faszination hat Florian Holzherr nie wieder losgelassen. Und aus dieser Faszination ist der Bildband „WALL OF DEATH“ entstanden, der gerade im Münchner Hirmer Verlag erschienen ist.
Holzherr ist ein bekannter Fotograf, der sich sonst mit Architekturfotografie und der Dokumentation von Ausstellungen auseinandersetzt. 2012 beteiligte er sich am israelischen Pavillon der Architektur-Biennale in Venedig. Seine Motodrom-Fotografien entstanden als freie Arbeit, wie erfreulich, wenn Fotografen sich neben dem Alltagsgeschäft Zeit für solch freie Projekte freischaufeln können.
Im Mittelpunkt des Buches steht einer jener Draufgänger, die Holzherr fotografiert hat: Donald Ganslmeier. Holzherr hat ihn jahrelang begleitet, ihn beim Aufbau, bei den Vorbereitungen und im Geschwindigkeitsrausch im Motodrom fotografiert. „Wir tragen keinen Helm, weil’s scheiße aussieht“, sagt Ganslmeier. „Vor allem aber schränkt er das Sichtfeld und das Gehör ein.“ Auf die Frage, was die Steilwand für ihn bedeute, sagt er: „Sie ist Fluch und Segen, mein Lebensinhalt und die härteste Schule. Sie kann dir Euphorie verleihen. (…) Und sie kann dich wie einen lästigen Parasiten abschütteln.“ Vielleicht muss man um so ein mutiger Draufgänger wie Ganslmeier zu sein auch ein Alltagsphilosoph sein. Keine Ahnung, diese adrenalingeschwängerte Welt ist mir so fremd wie nichts – und genau deshalb umso faszinierender für mich. Staunend stand ich mit meinem Mund oft genug im Zirkus FlicFlac und habe die Todeskugel fotografiert, jene mit dem Motodrom verwandte Stahlkugel, in der Motorradfahrer nicht nur im Kreis fahren, sondern auch die dritte Dimension nutzend durch die Kugel schwirren. Ganslmeier ist einer der letzten Steilwandfahrer, es gibt Nachwuchsprobleme.
Holzherr hat Ganslmeier mit seiner analogen Kamera begleitet, er bleibt streng beim Schwarzweiß, die Bewegungsunschärfe ist eines der wichtigsten Erzählmittel, die er wählt. Geradezu akribisch zeigt er uns die Vorbereitungen, den Aufbau der Todeskugel, die Konstruktions-, Schreiner- und Montagearbeiten. Da werden die Bodenflächen ausgerichtet, die Seitenwände hochgezogen und miteinander verbunden, mit Seilen gesichert, die Stützverstrebungen aufgebaut, die Dachstangen miteinander verknüpft, das „Motodrom“-Schild angebracht, das Zeltdach aufgespannt, Werbebanner aufgehängt und schließlich der Eingangsbereich und der Aussichtsbalkon montiert. Faszinierend, Menschen bei Arbeit ist eines meiner Lieblingsfotografiegenres. Naja ein paar Fotos weniger zu dem Thema hätten’s wegen mir getan, aber egal.
Dann kommt aber definitiv der spannendste Teil des Buchs: die Show. Wild um rund rotierende Motorradfahrer, auch mal freihändig mit jubelnd hochgerissenen Armen. Der tiefkonzentrierte Stirnrunzler Ganslmeiers. Ganslmeier mit seinen Kollegen entspannt lachend. Dann viel Bewegungsunschärfe.
Florian Holzherr hat sich ein grandioses Thema für sein Fotobuch ausgewählt. Kaum hatte ich davon gehört war ich gleich in vielfacher Hinsicht positiv getriggert: Es geht um ein Stück Kulturgeschichte. Check. Es geht um etwas, was es vielleicht in 10 Jahren nicht mehr gibt und wir froh darüber sein können, dass es nun noch dokumentiert wurde. Check. Es geht um etwas, was mit Halbwelt oder mit außergewöhnlichen Charakteren zu tun hat. Check. Es hat mit Bewegung zu tun. Interessiert mich per se, in Bezug auf Fotografie. Check. Es hat mit Show zu tun. Check.
Und wie dankbar bin ich, wenn ein Bildband eine ausführliche Dokumentation zum Thema enthält. Großartig, so vieles über die Geschichte der Todeswand zu erfahren, inklusive Poster („Amerik. Steilwand Todesfahrt im 60-100 km Tempo an der senkrechten Wand“), historischer Fotografien (die Todeswand von Pitt Löffelhardt, um 1935; „Kitty“ auf einer 500 ccm Ariel, 1931; Nanda und Eros Manfredini auf Go-Karts der Marke HAKO, 1969), textlicher Einordnung („Die Steilwand“, toller Text von Florian Dering: „Während der Saison 1930 präsentieren die Münchner Großschausteller Carl Gabriel und Josef Ruprecht zusammen die Neuheit. Gabriel ist bekannt für seine jährlich wechselnden Völkerschauen, Ruprecht ist spezialisiert auf Achterbahnen und Gebirgsbahnen.“). Danke dafür.
https://www.hirmerverlag.de/de/titel-87-2/wall_of_death-2536/