BRATSCH – EIN DORF MACHT SCHULE bei den Hofer Filmtagen

BRATSCH – Ein Dorf macht Schule (Hofer Filmtage)

Keine Noten, keine Fächer, keinen Unterricht, keine Belohnung, keine Bestrafung. So erläutert der junge, visionäre Pädagoge Damian Gsponer seine Idee einer Schule, die er in einem kleinen Schweizer Dorf eröffnete. Seine eigene Schulerfahrung mündete in folgendem Ergebnis: Schule und Leben sind zwei komplett getrennte Dinge. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Im Leben werden wir nicht mit simplen Zahlen von eins bis sechs bewertet. Nirgends, niemals, auch im Berufsleben nicht. Unsere Welt ist nicht in Fächer aufgeteilt. Alles hängt zusammen. Die Welt ist nicht erst seit dem Internet vernetzt. Unterricht im herkömmlichen Sinn, zum Beispiel der Frontalunterricht, den es heute noch bisweilen in Schulen gibt, widerspricht völlig den Bedürfnissen von Kindern und dem Alltag in unserer Welt. Waren wir uns nicht einig, dass die Idee, dass einer vorne steht, und sagt, wo es langgeht, der Vergangenheit angehören muss?

Kleine Kinder kommen noch mit Begeisterung ins Schulsystem, doch Freude, Motivation und Enthusiasmus nimmt relativ schnell ab, erläutert Gsponer. Das motovierte den jungen Pädagogen dazu, irgendwo eine Privatschule zu eröffnen, die das anders macht. Er suchte im Oberwallis, einer Schweizer Region, die unter Abwanderung in die Städte zu leiden hat und fand dort im Dorf Bratsch die Möglichkeit, eine Schule zu eröffnen. Das Schulhaus war ungenutzt, stand leer. Im Jahr 2009 fusionierte Bratsch mit der Nachbargemeinde Gampel zu einer Doppelgemeinde, die nun knapp über 2000 Einwohner hat. Seit wenigen Jahren wächst die Bevölkerung wieder.

Mit 17 Schülern ging es im Jahr 2016 los. Sätze wie „Wichtig ist, dass ihr Dinge tut, die euch Spaß machen“, sind Sätze, die in dieser Schule fallen. Spielplätze werden gemeinsam mit den Schülern geplant, oder Gärten. Die Schüler können auswählen, was ihnen liegt, wofür sie sich interessieren. Schreiben, Lesen und Rechnen müssen sie dafür übrigens auch können. Aber das Leben hat in dieser Schule ganz viel mit dem wirklichen Leben zu tun, und nicht mit der Kunstwelt „Schulsystem“, diesem Relikt vergangener Jahrhunderte.

Die Bedürfnisse der Kinder stehen im Zentrum des Schulalltags. Die Kinder werden dabei begleitet, Konflikte zu lösen, sie lernen, als Gruppe zusammenzuarbeiten, gemeinsam Lösungen zu finden, es geht um die Freundschaften der Kinder untereinander, um die Beziehungen innerhalb der Schülergruppen. Stadt aufs Jahr festgelegte Stundenpläne gibt es Tagespläne, die die Kinder mitbestimmen und digital selbst verwalten. Es gibt keine vorgefertigten, von Schulbehörden festgelegte, genormte Lehrpläne, denen die Kinder gerecht werden müssen, sondern um individuelle Bildungspläne und Prüfungsaufgaben.

Der Dokumentarfilmer Norbert Wiedmer wurde 1953 in Bern geboren, studierte Film in Paris und München und ist seither als freischaffender Dokumentarfilmer, Autor und Produzent tätig. Im Fokus seines Schaffens stehen vor allem Schweizer Geschichten, etwa „Schlagen und Abtun“ aus dem Jahr 1999 über die urschweizer Sportart Hornussen. Mit „Alpenglühn“ (1987) und „Meisterträume – eine Berner Fussballgeschichte“ war er auch schon bei den Hofer Filmtagen vertreten.

„Bratsch – Ein Dorf macht Schule“ ist ein wundervoller, herzerwärmender Appell an einen Wandel in unseren Schulsystemen. Damian Gsponers Schulprojekt denkt Schule neu, wirft den historischen Ballast der letzten Jahrhunderte ab und denkt Bildung von den Kindern her, vom Leben her. Norbert Wiedmer gelingt mit dieser Dokumentation ein wertvoller Anstoß an Bildungsschaffende, sich dieser Ideen anzunehmen. Natürlich können nicht überall neue Schulen gegründet werden, aber ein Wandel, das spürt man in dieser Dokumentation, ist auch von unten möglich, bei jedem einzelnen Beteiligten unseres Bildungsalltags. Wir müssen offen sein für Neues, davon wegkommen, das Schulsystem unserer Kindheit und Jugend als etwas Gegebenes hinzunehmen.

Regisseur: Norbert Wiedmer

Mit Damian Gsponer, Natascha Würsten

Länge: 91 Minuten

Genre: Dokumentarfilm

Produktion: Norbert Wiedmer

Sprache: Schweizerdeutsch, Deutsch

Schweiz 2023

Festivals Awards: Solothurner Filmtage 2023 (Schweiz)

Filmografie Norbert Wiedmer:

1979 FÜNF MINUTEN ENDE DER WELT, Dokumentarfilm

1987 ALPENGLÜHN, Dokumentarfilm  HOF 1987

1996 BESSER UND BESSER (Co-Regie), Dokumentarfilm

1999 SCHLAGEN UND ABTUN, Dokumentarfilm

2002 BEHIND ME – BRUNO GANZ, Dokumentarfilm

2009 SOUNDS AND SILENCE (Co-Regie), Dokumentarfilm   HOF 2009

2010 MEISTERTRÄUME – EINE BERNER FUSSBALLGESCHICHTE (Co-Regie), Dokumentarfilm  HOF 2010

2014 MITTEN INS LAND (Co-Regie), Dokumentarfilm

2023 BRATSCH – EIN DORF MACHT SCHULE, Dokumentarfilm  HOF 2023

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