Bei uns heißt sie Hanka / Pla nas gronje jej Hanka / Pola nas rěka wona Hanka
Regie: Grit Lemke
Deutscher Wettbewerb Dokumentarfilm,
MDR Special Screening
Dokumentarfilm
Deutschland 2023
92 Minuten
Deutsch
Weltpremiere
„Bei uns heißt sie Hanka“ erzählt die Geschichte einer indigenen Minderheit mitten in Deutschland. Wer einmal in der Lausitz war, kennt die zweisprachigen Ortsschilder in Deutsch und Sorbisch, viel mehr wissen die allermeisten jedoch nicht über diese Volksgruppe. Grit Lemke setzt sich intensiv mit dieser – ihrer – Vergangenheit und Gegenwart auseinander. Die reist durch die Lausitz auf der Suche nach ihrer Vergangenheit, spricht mit den Menschen dort über ihre Erinnerungen, über die altansässige Identität, über Assimilation, Kultur und Zukunft des Sorbischen. Wir kennen Dokumentationen über indigene Gruppen sonst aus Australien oder Amerika. Dieser Film aus der Mitte Deutschlands ist faszinierend, unterhaltsam und wichtig.
++
For the Time Being
Regie: Nele Dehnenkamp
Deutscher Wettbewerb Dokumentarfilm,
DOK im Knast
Dokumentarfilm
Deutschland 2023
90 Minuten
Weltpremiere
Nele Dehnenkamps Dokumentarfilm „For the time being“ erzählt die Geschichte der Afroamerikanerin Michelle und ihrem Mann Jermaine. Die beiden hatten im Jahr 2007 im berühmten Gefängnis Sing Sing geheiratet, in dem Jermaine wegen vorsätzlicher Tötung zu 22 Jahren bis lebenslänglich einsitzt, verurteilt wurde er im Jahr 1998. Engagiert aber verzweifelt versucht Michelle jahrelang, Jermaines Unschuld zu beweisen. Es gibt Aussagen, dass der Hauptzeuge der Staatsanwaltschaft bestochen worden war. Michelle arbeitet als Anstreicherin in New York, sie nimmt regelmäßig an Demonstrationen für die Rechte unschuldig Verurteilter teil, recherchiert auf eigene Faust, hat einen Anwalt gefunden – und kümmert sich derweil auch noch um ihre beiden Kinder aus früherer Ehe, die sie alleine großzieht – der Vater war vor ein paar Jahren ermordet worden. Jahrelang begleitete Nele Dehnenkamp den verzweifelten Kampf Michelles. „For the time being“ ist ein bedrückendes Dokument über persönliche Schicksale und über das amerikanische Rechtssystem.
https://www.dok-leipzig.de/film/time-being/programm
++
Universe Department Store
Yunibeoseu
Regie: Taewoong Won
Internationaler Wettbewerb Dokumentarfilm
Dokumentarfilm
Südkorea 2022
80 Minuten
Koreanisch
„Universe Department Store“ ist ein poetischer Dokumentarfilm über Erinnerungen. Kindheitserinnerungen, Erinnerungen an Orte, die sich verändern, Natur, die heute durch Stadtlandschaft ersetzt ist. Die Kindheitserinnerungen des Regisseurs Taewoong Won setzen mit einem Kaufhaus in den Achtziger Jahren ein, dessen Kinderattraktion wohl ein Raumschifffahrgeschäft war, das vor dem Gebäude stand und in dem die Kinder Weltraumshows anschauen konnten. Oder täuscht ihn da etwa seine Erinnerung? Heute ist es jedenfalls verschwunden, und das Kaufhaus ist heute auch keine Attraktion mehr, sondern ein Ramschkaufhaus, eng zugestellt und vollgepackt mit einzelnen Stores. Und es wird weiter gebaut. Wir befinden uns in Seoul, der südkoreanischen Hauptstadt, die seit den Achtziger Jahren eine unglaublich rasante Entwicklung genommen hat. Taewoong Won redet mit Menschen, die sich auch an jene Zeit erinnern können (und an das Raumschiff?) und die über die Verwandlung sprechen, die Südkorea und Seoul durchgemacht haben seit jenen Tagen, das Ende der südkoreanischen Militärdiktatur, die Modernisierung – die ersten Rolltreppen im Kaufhaus, eine Attraktion für die Kinder, und damals, als das erste Mal Leitungswasser in den Wohnungen floss – die Entwicklung zu einem wohlhabenden Industrieland. Vor allem geht es dem Regisseur aber um die Kindheitserinnerungen, in Hypnosesitzungen versucht er, an weitere Details, die in seinem Gedächtnis verborgen sind, zu gelangen. „Universe Department Store“ ist ein faszinierender Blick zurück in eine Kindheit, zurück in ein Land, das heute nicht mehr so ist, wie es damals war.
https://www.dok-leipzig.de/film/universe-department-store/programm
++
Vista Mare
Regie: Florian Kofler, Julia Gutweniger
Publikumswettbewerb
Dokumentarfilm
Österreich, Italien 2023
80 Minuten
Italienisch
Winter in einem Ferienort an der Adria in Italien. Alles ist geschlossen, wird hergerichtet für die nächste Saison. Sonnenschirme werden geflickt, Ferienwohnungen werden saniert, Inneinrichtungen neu gestaltet, der Strand wird frisch planiert, die Sonnenschirmständer am Strand werden frisch montiert, neues Restaurantpersonal wird eingelernt, Rezeptionisten werden in ihren Job eingeführt. Und dann kommen schon die ersten Touristen, es wird noch geschraubt und gehämmert, das Namensschild des Hotels poliert, der noch leere Pool geschrubbt, das Personal der Kinderbetreuung übt noch die Kinderlieder und Tänze ein.
„Vista Mare“ begleitet in langen, stillen Einstellungen eine Touristensaison an einem Strandort in Italien, unkommentiert, oft schweigsam, oder wir hören dem zu, was die ProtagonistInnen so reden. Wir sehen im Hintergrund, welch harte Arbeit, wieviel Vorbereitung nötig ist, damit die UrlauberInnen einen entspannten, unbeschwerten Urlaub verbringen können. Florian Kofler und Julia Gutweniger gelingt ein eindringlicher, ruhiger, wirkungsvoller Dokumentarfilm über jene Welt, die ich zuletzt – zum Teil – in Ulrich Seidls „Rimini“ kennen gelernt habe. Beeindruckend.
https://www.dok-leipzig.de/film/vista-mare/programm
++
White Angel – Das Ende von Marinka
Arndt Ginzel
Eröffnungsfilm,
Außer Konkurrenz
Dokumentarfilm
Deutschland 2023
103 Minuten
Ukrainisch, Russisch
Untertitel: Deutsch, Englisch
Weltpremiere
Marinka ist ein kleiner Ort in der ukrainischen Oblast Donezk. Einst lebten dort fast 10.000 Menschen, doch bereits seit dem Jahr 2014 gab es dort immer wieder Angriffe prorussischer Separatisten. Nun, im Jahr 2022, eskalierten die Angriffe und viele der Bewohner mussten fliehen. Manche blieben dennoch, versteckten sich in den Kellern der Häuser. Nun begann die Polizei mit der Evakuierung der Stadt, alle die noch da waren, sollten mit einem weißen Kleintransporter nach und nach fortgebracht werden. Wassyl, einer der Polizisten, ist die Hauptfigur. Bis zuletzt wollen manche bleiben, die Kinder und Frauen sollen fort, aber die alten Männer weigern sich bis zum Schluss, zu gehen. Sie wollen auf ihren Besitz aufpassen und die Tiere füttern. Doch dann gibt es immer mehr Verletzte.
White Angel ist der Eröffnungsfilm der Dok Leipzig. Es ist ein intensiver, bedrückender Film, der einem die Gewalt des Krieges unmittelbar vor Augen führt. Wir sehen Verletzte, Tote, hören das Artilleriefeuer näherkommen. Der größte Teil des Films ist mit kleinen Gopros oder Helmkameras gefilmt und erhalten dadurch eine Direktheit, wie sie selten in einem Dokumentarfilm über Krieg zu sehen ist.