ONLY THE RIVER FLOWS von Wei Shujun beim Filmfestival Mannheim Heidelberg

Only the river (c) LIAN RAY PICTURES
Irgendwo in der Provinz Chinas.  Vier Jungs spielen in einem leerstehenden, halb abgerissenen „Lost Place“ Räuber und Gendarm. Hinter einer der Türen öffnet sich bereits der Abgrund zu den Trümmern, die bereits abgerissen sind. Draußen schüttet es in Strömen. Wir sind, lesen wir, in Peishui im Bezirk Wanning in der Provinz Jiangdong und zwar im Jahr 1995.

Ma Zhe (Zhu Yilong) ist der Chef der örtlichen Kriminalpolizei. Da das lokale Kino leersteht, niemand kam mehr in die Vorführungen, nutzt die Polizei den Kinosaal als den zentralen Ort der Ermittlungen. Es werden Schreibtische angeschleppt, die Akten sortiert, Büros eingerichtet. In einem der kleinen Dörfer am Fluss wird schließlich die Leiche einer älteren Frau gefunden, Wang Fengxia heißt die Tote, „Oma Vier“ wird sie genannt. Der Starkregen hat alle verwertbaren Spuren fortgespült. Keine Angehörigen habe sie, außer einem „Irren“ den sie adoptiert habe. Gefunden wurde er von einem der Jungen, aber sein Vater hat ihm zunächst nicht geglaubt. Fünfzig Haushalte gibt es im Dorf, Fremde verlieren sich nie dorthin. Feinde hatte „Oma Vier“ wohl keine, aber natürlich fällt der Verdacht zunächst einmal auf den „Irren“, aber eigentlich ist der völlig friedlich.

Mit Schweinehälften werden im Kinosaal Experimente gemacht, um festzustellen, wie die Frau getötet wurde. Viel Kraft muss er gehabt haben. Derweil bekommt Ma Zhes Chef Druck von oben, man müsse bald den Schuldigen präsentieren. Endlich findet man den „Irren“. Er spricht nicht, lebt in seiner Welt. Ma Zhe versucht einfühlsam, etwas aus ihm herauszubekommen, doch vergeblich. Inzwischen ergibt sich eine andere Spur: Bei der Toten wurde eine Tasche gefunden, in der sich eine Tonkassette befand. Diese war von einer Frau besprochen, die sich an einen gewissen Hong richtete. Im Hintergrund ist immer wieder ein vorbeifahrender Zug zu hören, vielleicht ein Hinweis auf die Herkunft der Kassette. Sonderbare, geheimnisvolle Dinge spricht die Frau.

Ma Zhe macht sich auf die Suche nach der Frau und nach „Hong“ – was ihm dann auch gelingt. Doch hat das heimliche Liebespaar etwas mit dem Mord an der alten Frau zu tun? Und schon wenige Tage später wird Hongs Leiche aufgefunden.

ONLY THE RIVER FLOWS ist ein beeindruckender, düsterer, melancholischer Krimi, ein klassischer Film Noir, der natürlich auch Versatzstücke des Genres wiederaufgreift – der ständige schwere Regen, der Chef, der den ermittelnden Polizisten zur schnellen, auf der Hand liegenden Lösung drängt, weil er eben schnelle Ergebnisse abliefern möchte, der private Hintergrund des Protagonisten, der zu Konflikten führt. Trotz aller dieser Versatzstücke gelingt es dem Film dennoch weitgehend, die Klischeeklippen zu umschiffen. „Making ‚Only the River Flows‘ gab mir die Möglichkeit, eine Geschichte im Rahmen eines Genrefilms auf literarischer Basis zu entwickeln: Sie unterscheidet sich definitiv von der autobiografischen Geschichte oder ‚Satire‘ über die Entstehung eines Films, wie ich es in meinen beiden vorherigen Filmen versucht habe“, erklärt der junge Regisseur Wei Shujun. „Only the River Flows“ ist sein dritter langer Spielfilm, die beiden Vorgänger „Ripples of Life“ und „Striding into the Wind“ waren beide in Cannes zu sehen. Dem Film liegt eine Kurzgeschichte zugrunde, Wei Shujun erzählt über die Verfilmung der Geschichte: „Die Adaption verwendet mehrere der Settings, die schon in Yu Huas Kurzgeschichte vorkommen: zunächst die von Yu Hua im literarischen Stil der 80er und 90er Jahre verfasste Geschichte einer Mordserie, die die damals sehr präsenten Themen trägt, etwa die große Bedeutung des Kollektivismus, der auf dem Einzelnen lastet, sowie die Einsamkeit der Individuen angesichts einer absurden Welt. Die Originalgeschichte zeigt auch eine gewisse Subversion der traditionellen Detektivgeschichte: Die Lösung des Rätsels ist nicht ihr einziges Ziel; das Werk besitzt auch einen eher geheimen, unerwarteten und obskuren Aspekt, der dazu beigetragen hat, dass die Novelle als avantgardistisches Werk angesehen wurde.“

„Only the River Flows“ ist diese Konzentration auf den stilistischen, narrativen Subtext durchaus anzumerken und dieser Aspekt führt auch dazu, dass wir bereit sind, der Geschichte zu folgen. Wei Shujuns Film ist ein bemerkenswertes, beeindruckend erzähltes Genrewerk. Der Film ist beim Filmfestival Mannheim Heidelberg zu sehen und erlebt dort seine Premiere am 17. November 2023. https://www.iffmh.de/festival/unser-filmprogramm/filme/only-the-river-flows/index_ger.html

CAST
ZHU Yilong – MA Zhe
Chloe MAAYAN – BAI Jie
HOU Tianlai – Chief of Police
TONG Linkai – Xie

CREW
Director: Wei Shujun
Scriptwriters: Kang Chunlei, Wei Shujun
Director of Photography: Chengma
Only the river (c) LIAN RAY PICTURES

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