KURZKRITIKEN vom Internationalen Filmfestival Mannheim Heidelberg

Kiddo. Rosavan Leeuwen. (c) Douwe Hennink

Kiddo

Regie: Zara Dwinger
Land: Niederlande

2023 | 91 min. | Niederländisch, Dänisch, Polnisch
Eingesprochen auf Deutsch
FSK 6

Darsteller*innen_ Rosa van Leeuwen, Frieda Barnhard, Lidia Sadowka, Aisa Winter, Maksymilian Rudnicki Drehbuch_ Nena van Driel, Zara Dwinger Kamera_ Douwe Hennink Produzent*in_ Layla Meijman, Maarten van der Ven Rechte_ SKOOP Media

Lu lebt in einem Kinderwohnheim in Holland. Endlich soll ihre Mutter zu Besuch kommen. Angeblich eine berühmte Stuntfrau in Hollywood. Doch der amerikanische Sportwagen der Mutter stellt sich schnell als alt und verrostet heraus. Und statt des erlaubten ruhigen nachmittags zu zweit wird Lu mit auf einen tagelangen wilden Roadtrip nach Polen genommen. Die Mutter meint, sie seien nun Bonnie und Clyde, Gesetzesbrecher auf der Flucht. Ausgestattet mit Sonnenbrille und Perücke haben sie einen Traum: ein Haus für eine gemeinsame Zukunft. Doch es kommt zum Streit und beide müssen lernen, ihre Wünsche an die Wirklichkeit anzupassen.  Regie: Drehbuchautorin und Regisseurin Zara Dwinger (geboren 1990 in Amsterdam) dreht liebevoll ausgefeilte spielerische Filme mit großem Herz. Mit ihren kurzen und mittellangen Werken hat sie schon zahlreiche internationale Preise gewonnen. ›Kiddo‹ ist ihr erster Langfilm.  (Festivaltext)

Unterhaltsamer Kinderfilm mit erfreulich ungewohnter Filmsprache, schrillen Ideen, vielleicht etwas zu sehr gewollt auf die Idee der Orientierung an Kinolegenden und Filmgeschichte gestrickt. Macht dennoch Spaß.

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Red Rooms

Les chambres rouges

Regie: Pascal Plante
Land: Kanada

Deutschlandpremiere
2023 | 118 min. | Französisch
Untertitel: Deutsch, Englisch

Darsteller*innen_ Juliette Gariépy, Laurie Babin, Charlotte Aubin, Elisabeth Locas, Natalie Tannous, Maxwell McCabe-Lokos Drehbuch_ Pascal Plante Kamera_ Vincent Biron Produzent*in_ Dominique Dussault Rechte_ H264 Distribution

Die geheimnisvolle Kelly-Anne beobachtet den Prozess des mutmaßlichen Mörders Ludovic Chevalier. Der soll drei Mädchen auf grausame Weise ermordet haben. Live vor der Kamera für ein Publikum im Internet. Kelly-Anne scheint geradezu besessen von dem Mann. Dabei ähnelt sie einem der Opfer auf gespenstische Weise. Schließlich begibt sich die junge Frau auf einen dunklen Pfad, um nach dem letzten fehlenden Puzzleteil im Prozess zu suchen: dem Mitschnitt eines der Morde. Aber warum tut sie das?
Regie: Der kanadische Regisseur Pascal Plante, Jahrgang 1988, begann seine Karriere mit Kurzfilmen und der Dokumentation ›La génration porn‹. 2017 wechselte er mit ›Fake Tattoos‹ zum Spielfilm. Sein Nachfolgewerk ›Nadia, Butterfly‹ lief 2020 in Cannes. ›Red Rooms‹ ist sein dritter Spielfilm.
(Festivaltext)

Spannender, nervenaufreibender und verstörender Darknet-Thriller.

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Südsee

Regie: Henrika Kull

Land: Deutschland

2023 | 89 min. | Deutsch, Englisch, Hebräisch

Untertitel: Englisch, Deutsch

Darsteller*innen_ Liliane Amuat, Dor Aloni, Yuval Levi Drehbuch_ Henrika Kull Kamera_ Meidan Arama Produzent*in_ Sophie Ahrens, Fabian Altenried, Kristof Gerega Rechte_ Schuldenberg Films

Irgendwo in den Bergen zwischen Tel Aviv und Jerusalem. Anne und Nuri kennen sich nur flüchtig. Dennoch sind sie aus Berlin hierhergekommen, um die nächste Zeit gemeinsam im Haus seiner Eltern zu verbringen. Sie möchte an einem Drehbuch schreiben, er seine Magisterarbeit voranbringen. Dann aber planschen sie im Pool, entspannen und reden miteinander. Über Deutschland, Israel, ihre Expartner*innen. Hin und wieder taucht eine Rakete am Horizont auf und wird vom Iron Dome abgefangen. Ganz allmählich kommen sich Anne und Nuri näher, entblößen sich und halten doch zugleich einen Schutzschild um sich herum aufrecht. Sensibel und sinnlich inszeniert, nimmt das erotische Spiel von Anziehung und Distanz seinen Lauf. – ›Südsee‹ handelt vom echten Offensein für den anderen. Es ist eine Skizze wie aus dem Leben gegriffen und erreicht bei aller Leichtigkeit eine große Tiefe. (Festivaltext)

Wundervoll, schön, spannend, hinreißend, aktuell, philosophisch, gefühlvoll, nachdenklich. Und prickelnd. Grandioser, kleiner, leichter und luftiger deutsch-israelischer Spielfilm, der aktueller nicht sein könnte, aber das Verhältnis zwischen Deutschland und Israel und Deutschen und Israelis sehr entspannt und so nebenbei erzählt, als Hintergrund einer kleinen Urlaubsgeschichte. Wieviel kann in einem einzigen Film stecken, ohne dass er nicht ein kleines bisschen überladen ist? Und: zwei wundervoll hinreißende SchauspielerInnen in den beiden Hauptrollen. Großartig.

Regie

Regisseurin Henrika Kull ist Jahrgang 1984. ›Jibril‹, ihr Abschlussfilm an der Universität Babelsberg, feierte 2018 Premiere auf der Berlinale und gewann mehrere Preise. Ihr zweiter Spielfilm ›Glück‹ wurde zu über hundert Festivals weltweit eingeladen. 2022 erhielt sie den DEFA-Preis für junge Regie.

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Menus Plaisirs – Les Troisgros

Regie: Frederick Wiseman
Land: Frankreich, USA

2023 | 240 min. | Französisch
Untertitel: Englisch, Deutsch
FSK | Nicht geprüft / No clearance (18+)

Kamera_ James Bishop Produzent*in_ Frederick Wiseman, Karen Konicek, Olivier Giel Rechte_ Zipporah Films Inc.

Zwei Ikonen vereint: Die berühmte französische Gastronomenfamilie Troisgros. Eingefangen von Frederick Wiseman, dem legendären US-amerikanischen Chronisten der Gegenwart.

Die Familie Troisgros und ihre drei Restaurants. Zumeist zeigt der Film das „Troisgros”, seit 55 Jahren ein Drei-Sterne-Restaurant. Sensationell ist, wie hier etwas, das wir vor allem mit unserem Geschmacks- und Geruchssinn erleben, zu einer komplexen visuellen Erfahrung wird: Wir sehen die täglichen Routinen, vom Gemüseeinkauf und dem Gespräch mit den Tierzüchtern über das Besprechen der Menüfolge bis hin zum Prozess des Kochens und der Gästebetreuung. Scheinbar alles, was Spitzengastronomie ausmacht, wird uns vor Augen geführt. Dazu gehört auch das Streben nach Nachhaltigkeit. – Mit welch unendlicher Präzision, herrlichem Rhythmusgefühl und ehrfurchtgebietender Systematik es dem mittlerweile 93-jährigen Frederick Wiseman erneut gelingt, einen Teil unserer Welt zu dokumentieren, ist schlicht beeindruckend. Mit großem Respekt zeigt er Menschen in ihrer Hingabe an das gute Essen.

Frederick Wiseman ist der bedeutendste lebende US-amerikanische Dokumentarfilmer. Sein Debüt, ›Titicut Follies‹, feierte 1967 internationale Premiere auf dem IFFMH, seitdem zeigen wir regelmäßig seine Filme, zuletzt 2020 ›City Hall‹. Für sein Lebenswerk erhielt er den Goldenen Löwen und den Ehren-Oscar. (Festivaltext)

Ein unglaublich faszinierender und kurzweiliger Dokumentarfilm, der nichts anderes tut, als eine Spitzengastronomie bei der Arbeit zuzusehen. Vier Stunden, die einen Minute für Minute hineinziehen, man hört diesen Menschen so unglaublich gerne beim Sprechen über Kochen, Bedienen und Essen zu. Wir erhalten tiefe Einblicke in diese ganz besondere Welt.

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