Deutschland 2024 – Regie: Askold Kurov, Anonymous1 – Originalfassung: Englisch, Russisch – Untertitel: Englisch – Länge: 90 min.
Der Titel des Films bezieht sich auf die Redewendung „Die Hunde bellen, die Karawane zieht weiter.“ Dezember des Jahres 2021. Dmitry Muratov ist der Chefredakteur der Zeitung Novaya Gazeta. Seit 1993 gibt es die Zeitung. Im Jahr 2022 stellte sie ihr Erscheinen vorübergehend ein, um nicht verboten zu werden. Noch im selben Jahr erschien sie wieder in einer gedruckten Ausgabe, bei einem lettischen Verlag. Die Redakteur*innen sind nach Riga geflohe und arbeiten von dort. Muratov erhielt 2021 für seine unabhängige Berichterstattung den Friedensnobelpreis. Und in seiner Rede bezog er sich eben auf jenes Hunde- und Karawanenzitat und deutete es um: Die Hunde entsprechen den oppositionellen Medien, die Karawane ist die Regierungskarawane.
Noch kurz vor dem Überfall auf die Ukraine wurden etliche Medien und Organisationen kaltgestellt: die Zeitung Novaya Gazeta, die Menschenrechtsorganisation Memorial, Radio Echo Moskwy und Doschd TV. Askold Kurov stellte den Film mit einer größtenteils anonymen Filmcrew her, die selbst in den Redaktionen sitzt. Sie beobachten die Journalist*innen bei ihrer Arbeit, beim Widerstand gegen das Regime in Moskau – aber auch bei der ständigen Selbstzensur. Kurov wurde in der Usbekischen SSR geboren, in Moskau studierte er schließlich Theaterwissenschaft, Philologie und Theologie. Danach folgte ein Filmstudium, im Jahr 2019 erhielt er für seine Arbeit den Willy-Brandt-Dokumentarfilmpreis.
Der Film beginnt 138 Tage vor dem Krieg – mit eben jener Rede Muratovs bei der Verleihung des Friedensnobelpreises. Zurück in Moskau wird er von seiner Redaktion gefeiert. Einen guten Teil des Geldes spendet er zur Unterstützung von Journalisten. Es ist eine Zeit, in der es gefährlich ist zu arbeiten, aber aus heutiger Sicht überraschend ist es, dass es noch eine Pressekonferenz gab mit Putin, und Muratov ihm sogar eine Frage stellen durfte. Und Putin gratulierte ihm sogar zum Nobelpreis…
Aber die Lage derer, die sich für Menschenrechte und für freien Journalismus einsetzen, wird immer gefährlicher. Und schließlich wird die Menschenrechtsorganisation Memorial geschlossen, einige Wochen vor Beginn des Krieges. Memorial war einst gegründet worden, um die Verbrechen der Stalinzeit aufzuarbeiten.
„Of Caravans and Dogs” ist ein mutiges und über weite Strecken zuversichtliches und optimistisches Dokument des Widerstandes und der Opposition gegen Putin und sein menschenverachtendes Regime. Wir sehen am Anfang Aktivisten voller Zuversicht und Einfallsreichtum, voller Mut und Waghalsigkeit. Doch die Bedingungen für wirksame Oppositionsarbeit schrumpft während des Films spürbar von Tag zu Tag. Verbote, Verhaftungen, Verurteilungen, Schikane.
Und dann beginnt der Krieg. Es gibt Demonstrationen gegen den Krieg – und Massenverhaftungen. Und die Medien: Sie dürfen es unter Androhung hoher Strafen nicht „Krieg“ nennen… Es folgt eine Redaktionssitzung der Novaya Gazeta: Wie geht man mit dem Verbot um? Soll man bei der Wahrheit bleiben? Droht dann das Verbot, so wie Memorial verboten wurde? Man sucht Ausweichmöglichkeiten, Formulierungsvarianten.
Askold Kurov gelingt mit „Of Caravans and the Dogs” ein bedrückendes Doument zunehmender Schikane für Menschenrechtler und oppositioneller Journalisten im Umfeld des Kriegs gegen die Ukraine. Der Film beobachtet scharf, zeigt mutig auf, wie die Möglichkeiten der Journalisten von Tag zu Tag abnehmen. Beeindruckend.
Filmografie (Auswahl)
NOVAYA, RU 2019, 75 Min.
THE TRIAL: THE STATE OF RUSSIA VS. OLEH SENTSOV, EE/PL/CZ/UA 2017, 75 Min.
CHILDREN 404, RU 2014, 70 Min.
Autor*in: Askold Kurov. Kamera: Askold Kurov, Anonymous1. Ton: Anonymous3. Schnitt: Anonymous2. Produktion: Anonym. Produzent*in: Askold Kurov. Vertrieb: Rise And Shine World Sales
https://www.dokfest-muenchen.de/films/of-caravan-and-the-dogs
Vorführungen: 3., 7., 11. Mai 2024 beim DOK.fest München.