Chronorama – Photographic Treasures of the 20th Century – im Museum für Fotografie Berlin

15.02.2024 bis 20.05.2024

Museum für Fotografie

Noch bis zum 20. Mai 2024 zeigt das Berliner Museum für Fotografie die Ausstellung „Chronorama – Photographic Treasures oft he 20th Century“. Zuvor war die Ausstellung mit großem Erfolg in Venedig im Palazzo Grassi zu sehen. Zu den ausgestellten Fotograf*innen gehören Arbeiten von Diane Arbus, Cecil Beaton, David Bailey, John Deakin, Robert Frank, Evelyn Hofer, Horst P. Horst, Irving Penn, William Klein, Lisette Model, Helmut Newton und viele mehr. Die Bilder sind nach Jahrzehnten sortiert und entstammen dem renommierten Condé-Nast-Archiv und sind zu einem großen Teil für die Condé-Nast-Zeitschriften entstanden, etwa Vogue oder Vanity Fair. Die Ausstellung wurde von Matthieu Humery, Berater der Pinault Collection für Fotografie, und Matthias Harder, Direktor der Helmut Newton Stiftung kuratiert.

„Chronorama“ zeigt beeindruckende Vintage Prints, die als Druckvorlage für die Zeitschriften von Condé-Nast dienten. Waren am Anfang noch bunte Illustrationen auf den Titelseiten der Zeitschriften zu sehen – auch von diesen sind einige in der Ausstellung zu sehen – wurde später dann die Fotografie das entscheidende Leitmedium, zunächst ausschließlich Schwarzweiß, das erste Farbbild der Ausstellung stammt von Irving Penn aus dem Jahr 1952. War die dokumentarische Fotografie zunächst nur am Rande von Bedeutung, nahm diese spätestens mit dem Zweiten Weltkrieg eine größere Rolle ein. Immer waren es aber Inszenierungen aus dem Bereich des Lifestyles, der Kultur und vor allem der Mode.

Ich möchte in einem kleinen Rundgang durch die Dekaden des 20. Jahrhundert hier eine Handvoll Bilder vorstellen, die mir besonders in Erinnerung geblieben sind – zum großen Teil Neuentdeckungen für mich.

Aus dem Jahr 1926 stammt Nickolas Murays Fotografie von Anna Duncan, einer schweizerisch-amerikanischen Tänzerin. Das Porträt ist berührend, emotional, mit leicht geneigtem Kopf, leicht vielleicht wehmütigem Blick schaut sie aus dem Bild heraus, ein schönes Porträt. Der Name Duncan ist natürlich ein Begriff von Isadora Duncan, ihrer Mutter, der berühmten amerikanischen Tänzerin und Choreographin. Anna hieß eigentlich Anna Denzler, wurde in Moudon in der Schweiz geboren und wurde von Isadora Duncan adoptiert. Anna begann mit 10 ihre Ausbildung als Tänzerin an der Isadora-Duncan-Schule in Berlin-Grunewald, begab sich mit den „Isadorables“ auf etliche Tourneen, ab 1925 blieb sie in den USA und begann eine Solokarriere. Aus jener Zeit stammt dann das Foto. Sie starb 1980 in New York. Ihre Autobiografie hat sie zwar geschrieben aber nie veröffentlicht. Aber auch der Name des Fotografen war mir kein Begriff. Er war aber offenbar ein ziemlich bekannter, ungarisch-stämmiger Prominentenfotograf. Und Sportler: Er nahm als Fechter an den Olympischen Spielen teil. Ein weiteres Bild in der Ausstellung stammt von ihm: „Douglas Fairbanks and Mary Pickford“ aus dem Jahr 1922.

Auch aus den 20ern stammt ein weiteres bemerkenswertes Porträt: das Bild des japanisch-französischen Malers Tsuguharu Foujita fotografiert von Dora Kallmus im Jahr 1928. Auch hier waren mir beide Namen kein Begriff. Foujita wurde 1886 in Tokio geboren, er studierte auf der Hochschule der Künste in Tokio, zog 1913 nach Paris und hatte einen engen Bezug zur dortigen Künstlerszene. Er starb 1968 in Zürich. Dora Kallmus war eine Österreichische Fotografin, bekannt als „Madame D’Ora“, eine der ersten Frauen, die an der Wiener „Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt“ studieren durfte. Sie hatte schon bald einen großen Namen und durfte Berühmtheiten fotografieren. Das Foujita-Porträt ist sehr besonders, die Frisur mit dem tiefen Schnitt über der Stirn, der runden Brille und dem gezackten Schnauzbart ist ein Modestil, den ich ziemlich ähnlich auf Neuköllner Straßen heute wieder beobachte. Keine Ahnung ob dieser Stil damals der japanische Einfluss war, oder ob es ein individuelles Ding von Foujita war.

Aus den 30ern ist eine Fotografie von Margaret Bourke-White (1904-1971) zu sehen: „Tennis Players on a Rooftop in Front oft he Manhattan Skyline“ aus dem Jahr 1931. Das Programmheft zur Ausstellung schreibt zu diesem Bild: „Dieses Foto spielt auf das beispiellose Wachstum einer Freizeitgesellschaft an, in der der Sport eine führende Rolle spielte. Darüber hinaus zeigt dieses Foto, indem es Frauen zeigt, die auf dem Dach eines Gebäudes Tennis spielen, die zunehmende Bedeutung von Frauen in der amerikanischen Gesellschaft.“ Das Bild ist in mehrere Ebenen aufgebaut, vorne das Tennisnetz, dann eine Spielerin mit einem Ring in der Hand (keine Ahnung, ist das irgendwas tennis-spezifisches?), dahinter drei weitere Frauen vor der Skyline Manhattans. Ich meine ja, es wirkt etwas schnappschussartig, fast etwas wie eine Collage, ich kann gar nicht so recht einordnen, wo die Schärfe liegt, in jedem Fall eher nicht auf der Spielerin im Vordergrund, der Bildaufbau wirkt jedenfalls eher improvisiert und nicht geplant. Aber ich bin an dem Bild wirklich hängengeblieben.

Aus den 1940ern, 1946, stammt ein Bild von Irving Penn, das er von Henri Cartier-Bresson und dessen Frau Ratna Mohini, einer Tänzerin aus Java, gemacht hat. Cartier-Bresson, damals um die 38, wirkt schmal, fast noch etwas jungenhaft, in einem hellen Anzug, im Halbschatten hat er einen Fotoapparat in der Hand und er schaut streng in die Kamera von Irving Penn. Nicht so seine Frau, in legerem Tuchgewand, eine Tanzpose andeutend und in die Ferne schauend. Das Bild ist in einer Karo-Blumenmuster-Teppich-Tapetenlandschaft aufgenommen. Sehr interessant die Gegensätzlichkeit zwischen den beiden. Verheiratet waren sie von 1937 bis 1967. Ratna Mohini wurde 1904 in Batavia als Carolina Jeanne de Souza-IJke geboren, ihre Freunde nannten sie Elie, schon vor ihrer Ehe mit Cartier-Bresson war sie mit einem niederländischen Journalisten verheiratet. Das Foto wurde in New York aufgenommen, als Cartier-Bresson gerade für die Zeitschrift Harper’s Bazaar durch die USA reiste, um berühmte Künstler und Schriftsteller zu fotografieren. Im Jahr darauf zeigte das MoMA die erste große Cartier-Bresson-Retrospektive. Für mich ein sehr spannendes Bild, die Porträts des älteren HCB haben sich mehr in meinem Kopf eingeprägt, dieses Bild von Irving Penn kannte ich nicht.

Aus dem Jahr 1944 stammt eine Aufnahme von Lee Miller, The Fall oft he Citadel of Saint-Malo. Lee Miller war als Kriegsfotografin für Condé-Nast unterwegs. Ihr war immer der „Alltag“ und die Menschen des Krieges von fotografischer Bedeutung, insbesondere den der Frauen (was man in einer anderen Aufnahme aus der Ausstellung sehen kann: „Interrogation of a Frenchwoman who has had her Head Shaved for Fraternizing with Germans“ aus dem Jahr 1944). Die Stadt Saint-Malo erlebte 1944 schwere Zerstörungen durch Luftangriffe der Alliierten. Die zerstörten Gebäude wurden nach dem Krieg nach historischen Vorbild wieder aufgebaut. In Lee Millers Fotografie blicken wir aus dem Fenster eines Zimmers über die Dächer hinweg auf die schweren Einschläge der Luftangriffe.

Ich will nur einen kleinen Sprung in die zweite Hälfte der Ausstellung machen, in die 1970er Jahre, zum Bild „Two Models in an Office Looking at Negatives“ von Duane Michals aus dem Jahr 1976. Michals ist Autodidakt, lebt noch, heute 92-jährig. Geboren wurde er 1932 in McKeesport, Pennsylvania. Für die Vogue fotografierte er die Dreharbeiten zur Fitzgerald-Verfilmgun von „The Great Gatsby“, unter der Regie von Jack Clayton nach dem Coppola-Drehbuch aus dem Jahr 1974. In der Ausstellung hängt auch noch das Bild „Three Members oft he Experimental Theater Company Mabou Mines, Recreating the Form of a Galloping Horse” aus dem Jahr 1972. Das „Two Model“-Foto hat einige interessante Aspekte, es entwirft mit wenigen Zügen das Bild einer damaligen Zeitschriftenredaktion, ein Arbeitstisch im Vordergrund, die beiden Models, die Dias betrachten und auswählen, die linke hält eins der Dias gegen das Licht, die andere mit Spiegelbrille schaut auf die Dias auf dem Tisch, eine Frau im Hintergrund läuft durch den Raum, ist aufgrund der offenbar etwas längeren Belichtungszeit verwischt, dahinter die Bürofenster und der Blick nach draußen auf eine alte Gebäudefassade. Spannend, wie das Bild den Blick des Betrachters führt.

Ein kurzes Resümee der Ausstellung für mich: Ich bin ja sonst eher an enger begrenzten oder auf einzelne Künstler*innen beschränkte Ausstellungen interessiert, aber da ich schon in Charlottenburg war, gib ich noch ins Fotografiemuseum und hab das nicht bereut, es ist ein durchaus spannender und unterhaltsamer Schritt durch die einzelnen Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts und vor allem bietet die Ausstellung eine Menge Entdeckungen, die mich zum Weiterforschen an Fotograf*innen-Biografien und -Werken anregten. Lohnenswert. Unbedingt die Tage noch anschauen!

Eine Sonderausstellung der Helmut Newton Stiftung im Museum für Fotografie – Staatliche Museen zu Berlin.

Chronorama. Ein Rundgang

So 19.05.2024 16:00 Uhr

Museum für Fotografie

Jebensstraße 2

10623 Berlin

vollständig rollstuhlgeeignet

U-Bahn: Kurfürstendamm, Zoologischer Garten

S-Bahn: Zoologischer Garten

Bus: Kurfürstendamm, Zoologischer Garten

So 11:00 – 19:00

Mo geschlossen

Di 11:00 – 19:00

Mi 11:00 – 19:00

Do 11:00 – 20:00

Fr 11:00 – 19:00

Sa 11:00 – 19:00

Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen:

CHRONORAMA. Photographic Treasures of the 20th Century

Abrams & Chronicle Books, New York, 2023, 432 Seiten

Preis: 38 €, ISBN: 978-1-4197-6662-6.

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