Diamonds In The Sand beim Nippon Filmfestival Frankfurt

Als ich vor zehn Jahren für zwei Wochen in Tokio war fiel mir als Fotograf das Leben der Tokioter Büroangestellten als irgendetwas Besonderes, Außergewöhnliches, Skurriles auf. Da waren ein morgens völlig übermüdeter, im Stehen in der U-Bahn schlafender Pendler; torkelnde, betrunkene Büroangestellte nach Feierabend; der mit Regenschirm und Aktenkoffer im Regen nach Hause rennende Mann, der wahrscheinlich als Letzter, noch nach dem Chef das Büro verlassen hat.

Um diese Welt geht es auch in DIAMONDS IN THE SAND der philippinischen Regisseurin Janus VICTORIA, in Manila geboren, sie hat bereits etliche Dokumentarfilme für das philippinische Fernsehen und für diverse digitale Plattformen gedreht, DIAMONDS IN THE SAND ist ihr Debütspielfilm. In Victorias Film gibt es noch weitere Aspekte des Bürolebens: das Boreout, tödliche Langeweile, wenn man nichts zu tun hat, das versehentliche erwischt werden beim Erotikfilmkonsum im Büro, das nachfeierabendliche Abhängen in Karaokebars. Wenigstens wartet auf den Büroangestellten Yoji keiner, wenn er spät von der Arbeit nach Hause kommt, schließlich ist er geschieden und verbringt die Zeit abends weitgehend vor dem Fernseher oder damit, aus dem leeren Kühlschrank wenigstens noch irgendwas Essbares herauszufischen. Dann schläft er auf dem Sessel ein und am nächsten Morgen geht es weiter, es sei denn es ist Wochenende. Und an diesem betreffenden Morgen wacht er auf, weil ihm was ins Gesicht tropft. Das stinkt. Grausam. Oben an der Decke suppt es durch in der Mietskaserne, Wasserschaden oder so? Als schaut Yoji nach, aber es handelt sich um keinen Wasserschaden, sondern um Personenschaden. Der Nachbar liegt nämlich tot in der Wohnung oben drüber, von niemandem bemerkt. Und das wohl schon länger, die Maden sind in vollem Gange, die Körperflüssigkeiten suppten durch. Die Fragen der Polizei kann er in keinster Weise beantworten, er kennt den Nachbarn gar nicht und kann erst recht nicht beantworten, wann er ihn das letzte Mal gesehen hat. Oder wie lange er da schon wohnt etcpp. Dann kommen die Tatortreiniger, Yoji fragt, ob er ihnen bei der Arbeit zusehen darf. Fasziniert beobachtet er, wie die Überreste eines vergessenen Lebens beseitigt werden. Der Tod des Mannes erinnert ihn daran, dass er vielleicht seine Mutter im Pflegeheim mal wieder aufsuchen könnte, und das macht er auch. Er versucht sich ihr wieder anzunähern nach all den Jahren, kocht ihr was Leckeres und erzählt ihr endlich, dass er schon seit vielen Jahren geschieden ist. „Warst du jemals glücklich?“, fragt ihn seine Mutter unvermittelt. Eher nicht, scheint sein Schweigen auszudrücken. Das Glück solle er aber noch einmal finden, bittet ihn seine alte Mutter.

Und dann stirbt die alte Frau und nun hat er niemanden mehr, sein letzter Gesprächspartner ist nun die Pflegerin seiner Mutter, die aus Manila stammt und nun dahin zurückkehren will. Auf den Philippinen sei niemand alleine, lernt er von ihr, selbst wenn man es wolle. Und weil er sich das zu Herzen nimmt, und weil er nicht selbst irgendwann vereinsamt und vergessen tot durch seinen Wohnungsboden suppen möchte, beschließt er, nach Manila zu gehen.

„Wie bemessen wir die Bedeutung unseres Lebens?“ fragt die Regisseurin Janus Victoria. „Wenn wir einen Kodokushi sterben, einen einsamen Tod, bei dem wir unsere Abwesenheit von dieser Welt erst nach Wochen oder Monaten bemerken, was sagt das über uns aus? Dieser Film ist meine Art, durch das Leben und meine Heimatstadt Manila zu navigieren, indem ich einen anderen Ort betrachte, der in vielerlei Hinsicht das genaue Gegenteil ist. Schließlich bin ich zu der Erkenntnis gelangt, dass es bei Kodokushi nicht um das alleinige Sterben geht, sondern um das Vergessen. Und letztendlich ist der wahre Maßstab dafür, wie gut wir gelebt haben, wie sehr wir vermisst werden, wenn wir nicht mehr da sind.“

Janus Victoria gelingt ein so wunderbarer Film über die Angst vor der Einsamkeit, die Angst alleine zu sterben und sie schafft das mit so einprägsamen Bildern, wie eben jenen aus der Wohnung des toten Nachbarn, mit einem grandiosen Cast mit Lily Victoria und Kazuko Yoshiyuki in den beiden Hauptrollen. Es sind auch zwei Migrantengeschichten gleichzeitig, in zwei verschiedene Richtungen, die sie Filmemacherin nebenbei in die Geschichte einwebt, und Geschichten darüber, wie unterschiedlich die Vorstellungen von einem glücklichen Leben sind. Man wünscht diesem Film noch viel Erfolg und einen deutschen Filmverleih. Am 31. Mai läuft der Film beim Nippon Connection Filmfestival in Frankfurt.

Besetzung: Lily Franky, Kazuko YOSHIYUKI, Maria Isabel LOPEZ, Soliman CRUZ, Charlie DIZON

Regie Janus VICTORIA
Drehbuch Janus VICTORIA
Kamera Akiko ASHIZAWA

https://db.nipponconnection.com/de/event/1647/diamonds-in-the-sand

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