Schlachthäuser der Moderne von Heinz Emigholz beim DOK LEIPZIG

Schlachthäuser der Moderne. Regie: Heinz Emigholz. DOK LEIPZIG 2022.

ENGLISH VERSION BELOW

Regie: Heinz Emigholz

Im Deutschen Wettbewerb des DOK LEIPZIG

Dokumentarfilm

Deutschland 2022

80 Minuten

„Die revolutionären Erkenntnisse der theoretischen Physik zu Beginn des letzten Jahrhunderts führten zu einer unumkehrbaren Erschütterung traditioneller Raumvorstellungen. Das hatte weitreichende Folgen für die Bereiche Architektur und Film.“ So beginnt Heinz Emigholz‘ Dokumentarfilm mit dem illustren Titel „Schlachthäuser der Moderne“. In schnellem Stakkato ergießt sich über uns ein wissenschaftlicher Text über die Moderne, Postmoderne, Imperialismus, das Ende der Geschichte und anderes, während wir im Bild einfach nur Bilder einer Straßenbaustelle sehen, provisorischer Hütten, unfertige Straßenbeläge, nicht fertiggestellte Hauswände. „Die Proklamation einer Situation, die für die Kunst ein erstrebenswerter Zustand sein mag, politisch aber nur die nächste Autokratie, bis hin zum nächsten Terror ansagt.“ Und so weiter. Ich kann nicht folgen. Ein Text, dessen Sätze ich im Geschriebenen auf mich wirken lassen müsste, noch mal lesen wollte, darüber nachdenken müsste. Emigholz lässt mir aber keine Zeit. Wessen Texte sind das überhaupt? Und dann kommt mir ein Verdacht: Ist das Masche, dass ich hier durch einen wissenschaftlichen Text gehetzt werde, dem ich nicht richtig folgen kann? Wo sind wir eigentlich? Irgendwo in Südamerika?

Nun bekommen wir eine erste örtliche Orientierung: Vom argentinischen Architekten Francisco Salamone (1897-1959) ist die Rede, der in den Dreißigern des 20. Jahrhunderts in der Umgebung von Buenos Aires eine Menge öffentlicher Gebäude in die Pampas gebaut hatte, als Symbole, so der Kommentar, des Reichtums, der durch die ländliche Viehwirtschaft hervorgebracht wurde. Beispiele dieser repräsentativen Betonbauten werden gezeigt.

Wir werden übergeleitet zu einem italienischen Architekten: Angiolo Mazzoni (1894-1979), der in Italien vor allem für seine zur Zeit des Faschismus entstandenen Postämter und Bahnhöfe bekannt ist.

Weiter geht es wieder in Argentinien, mit monumentalen Friedhofsgebäuden – und den – titelgebenden – Schlachthäusern, eben den Orten, denen der argentinische Reichtum einst entsprang. Wir sehen verblüffende Betontempel der Rinderschlachtung, mit Anleihen bei sakraler Baukunst. Fleischkirchen. Absurd.

Und schließlich kommen wir nach Berlin, zum „Präfaschisten und Kriegstreiber Wilhelm II.“, der einst im Stadtschloss wohnte, das eben nun als Humboldtforum wieder aufgebaut wurde. Und da ändert sich der Ton, Abscheu gegen das wiederaufgebaute Schloss. Giftige Worte, die Emigholz findet…

Der Name Emigholz war mir immer irgendwie ein Begriff aus filmhistorischen Abhandlungen oder so, aber ich glaube ich habe nie einen Film von ihm gesehen. Er ist Jahrgang 1948; 1993 bis 2013, lese ich, hatte er eine Professur für Experimentelle Filmgestaltung an der UdK in Berlin inne. Seine Filme entstammen dem Avantgarde- und Experimentalfilm der 70er, es ging immer um Architektur und Räume. Nachricht an mich selbst: Bitte tiefgreifender mit Emigholz‘ Werk auseinandersetzen.

So orientierungslos ich zu Beginn des Films war – umso mehr zog mich Emigholz‘ länderübergreifender Überblick über diese modernistische Betonarchitektur hinein und faszinierte mich. „Zusammenhänge gibt es in Hülle und Fülle, erbaulich sind sie alle nicht. Heinz Emigholz nutzt sie für ein Pamphlet wider Stilvergessenheit und Geschichtsfälschung“, schreibt Christoph Terhechte, der Festivaldirektor in seinem Text über den Film. Der Teil mit dem Berliner Stadtschloss hätte es wegen mir nicht gebraucht, der fällt mir etwas aus dem Rahmen, hätte vielleicht Material für einen eigenen Film geben. Dennoch: ein sehr interessantes, kantiges, sperriges Werk.

Termine und Tickets: https://www.dok-leipzig.de/film/schlachthaeuser-der-moderne/programm

Im Festivalprogramm des DOK-Festivals Leipzig, in der Kategorie Camera Lucida, sind noch zwei weitere Filme von Heinz Emigholz zu sehen:

Salamone, Pampa https://www.dok-leipzig.de/film/salamone-pampa/programm
Mamani en Alto https://www.dok-leipzig.de/film/mamani-el-alto/programm

ENGLISH VERSION

Director: Heinz Emigholz
In the German competition of DOK LEIPZIG
Documentary
Germany 2022
80 minutes

“The revolutionary findings of theoretical physics at the beginning of the last century led to an irreversible disruption of traditional concepts of space. That had far-reaching consequences for the fields of architecture and film.” This is how Heinz Emigholz’s documentary begins with the illustrious title “Slaughterhouses of Modernity”. A scientific text about modernity, postmodernism, imperialism, the end of history and other things pours out over us in a rapid staccato, while the image simply shows images of a road construction site, temporary huts, unfinished road surfaces, unfinished house walls. „The proclamation of a situation that may be desirable for art, but politically it only announces the next autocracy, up to and including the next terror.“ And so on. I can’t follow. A text whose sentences I would have to let work on me in the written form, would want to read again, would have to think about it. But Emigholz doesn’t give me any time. Whose lyrics are these anyway? And then I have a suspicion: Is it a scam that I’m being rushed through a scientific text that I can’t really follow? Where are we actually? Somewhere in South America?

Now we get a first local orientation: We are talking about the Argentine architect Francisco Salamone (1897-1959), who in the 1930s built a large number of public buildings in the pampas around Buenos Aires, as symbols, so the comment, of the wealth produced by rural pastoralism. Examples of these representative concrete structures are shown.

We are led to an Italian architect: Angiolo Mazzoni (1894-1979), who is best known in Italy for his post offices and railway stations that were built during the Fascist era.

It continues again in Argentina, with monumental cemetery buildings – and the – eponymous – slaughterhouses, the very places from which Argentine wealth once sprang. We see amazing concrete temples of cattle slaughter, with borrowings from sacred architecture. Fleischkirchen. Absurd.

And finally we come to Berlin, to the „pre-fascist and warmonger Wilhelm II.“, who once lived in the city palace, which has just been rebuilt as the Humboldt Forum. And then the tone changes, disgust at the rebuilt castle. Poisonous words that Emigholz finds…

The name Emigholz was always somehow familiar to me from film history treatises or something, but I don’t think I’ve ever seen a film by him. He was born in 1948; From 1993 to 2013, I read, he held a professorship for experimental film design at the UdK in Berlin. His films come from the avant-garde and experimental film of the 70s, it was always about architecture and spaces. Message to myself: Please deal with Emigholz‘ work in more depth.

As disoriented as I was at the beginning of the film, Emigholz‘ transnational overview of this modernist concrete architecture drew me in and fascinated me all the more. “There are connections in abundance, none of them are edifying. Heinz Emigholz uses them for a pamphlet against stylistic forgetfulness and historical falsification,” writes Christoph Terhechte, the festival director, in his text about the film. The part with the Berlin City Palace wouldn’t have been necessary because of me, it’s a little out of the ordinary for me, and there might have been material for a film of my own. Nevertheless: a very interesting, angular, bulky work.

Dates and tickets: https://www.dok-leipzig.de/film/schlachthaeuser-der-moderne/programm

Two more films by Heinz Emigholz can be seen in the festival program of the DOK Festival Leipzig, in the Camera Lucida category:

Salamone, Pampa https://www.dok-leipzig.de/film/salamone-pampa/programm

Mamani en Alto https://www.dok-leipzig.de/film/mamani-el-alto/programm

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