FERITE von Vittorio Rifranti bei den Hofer Filmtagen

FERITE von Vittorio Rifranti bei den Hofer Filmtagen

ENGLISH VERSION BELOW

Emanuele ist Theaterregisseur, 54. Jeden Tag bestellt er seinen Cappuccino und sein Brioche im selben Café, die junge Bedienung weiß schon ohne Bestellung, was sie ihm hinstellen muss. „Das Übliche“. Emanuele interessiert sich für sie, für ihre Tätowierung am Arm. Und schon bald wird sie bei ihm im Bett landen. Aber übernachten darf sie nicht, denn er hat ein Geheimnis.

Sorgfältig wählt Emanuele die Besetzung für die Dostojewski-Adaption aus, die er auf die Bühne bringen wird. „Njetotschka Neswanowa“ (Der seltsame Liebesbund) – ein unvollendeter Roman des russischen Schriftstellers. Er erzählt den Schauspielerinnen viel darüber, wie Dostojewski gearbeitet hat, nachts, von starkem Tee und vom Rauchen wachgehalten, in einem fiebrigen Zustand, um dann kurz vor Sonnenaufgang ins Bett zu gehen. Er schrieb unter Druck, erzählt Emanuele, nie zufrieden, mit dem, was er fabrizierte, und nun geht es um – die Geschichte einer Frau. Verhaftung, beinahe die Exekution, Zwangsarbeit, Gefängnis. So blieb der Roman unfertig.

Er diskutiert ausführlich mit seinem Regieassistenten, auf wen die Wahl fallen soll. Er lässt die Kandidatinnen vorspielen, berührt sie beim Spiel, erforscht jede Einzelheit, provoziert Reaktionen. Nach langem Ringen mit sich selbst, fällt Emanueles Wahl für die weibliche Hauptrolle auf Irene, eine junge, energische, oft selbstbewusste Frau, die aber auch Unsicherheiten hat und Zerbrechliches aufweist.

FERITE von Vittorio Rifranti bei den Hofer Filmtagen

Emanueles Geheimnis besteht in einem hinter einer Tür verborgenen Raum, in dem er, gleichsam wie ein Altar, den wenigen Frauen seines Lebens huldigt, die er wirklich geliebt hat. Er befestigt Bilder der Frauen an der Wand, spielt alte Filme mit den Aufnahmen der Frauen ab. Dann schließt er immer wieder sorgfältig die verborgene Tür zu diesem Raum. Niemand weiß davon, niemand soll etwas davon erfahren. Wir wissen auch nicht, wer diese Frauen sind. Jeder der Frauen ist eine eigene Wand gewidmet, nur eine Wand ist noch leer. Dorthin projiziert Emanuele Collagen aus den Gesichtern der anderen Frauen.

Durch die Arbeit kommen sich Emanuele und Irene schließlich auch privat näher. Sie besucht ihn zu Hause. Und vielleicht ist sie auch eine Kandidatin für die letzte noch frei gebliebene Wand in Emanueles geheimem Raum.

Ferite ist der dritte Spielfilm des gebürtigen Mailänders Vittorio Rifranti, nach L’ATTESA (1992), LO SGUARDO NASCOSTO (2004) und TAGLIARE LE PARTI IN GRIGIO (2007). Letzterer gewann eines Preis beim Filmfestival in Locarno, dennoch folgen Rifrantis Filme immer mit großen Abständen. FERITE – was “Wunden” bedeutet, ist ein sorgsam und langsam erzählter Film, der dem Zuschauer Zeit lässt, mehr über Emanuele zu erfahren. Man schaut sich das gerne an, doch dann wird einem bald unwohl: Der attraktive, mittelalte Emanuele erklärt den jungen Frauen die Welt und nutzt seine Gelegenheiten, beim Theater jungen Frauen zu begegnen. Das scheint zunächst weder problematisiert noch thematisiert zu werden. Doch dann kommt Irene hinter Emanueles Geheimnisse – und der Film nimmt eine beeindruckende Wendung.

FERITE von Vittorio Rifranti bei den Hofer Filmtagen

Regie: Vittorio Rifranti
Cast: Daniele Marcheggiani, Camilla Tedeschi, Giorgia Faraoni, Fabrizio Rocchi

ENGLISH VERSION

Emanuele is a theater director, 54. Every day he orders his cappuccino and his brioche in the same café, the young waitress knows what to put in front of him even without an order. „The usual“. Emanuele is interested in her, in the tattoo on her arm. And soon she will end up in his bed with him. But she is not allowed to stay overnight because he has a secret.

Emanuele carefully selects the cast for the Dostoyevsky adaptation that he will bring to the stage. „Netochka Nesvanova“ (The Strange Covenant of Love) – an unfinished novel by the Russian writer. He tells the actresses a lot about how Dostoyevsky worked, kept awake at night by strong tea and smoking, in a feverish state, only to go to bed just before sunrise. He wrote under pressure, says Emanuele, never satisfied with what he made, and now it’s about – a woman’s story. Arrest, near execution, forced labor, prison. So the novel remained unfinished.

FERITE von Vittorio Rifranti bei den Hofer Filmtagen

He discusses at length with his assistant director who should be chosen. He lets the candidates play, touches them during the game, explores every detail, provokes reactions. After a long struggle with herself, Emanuele’s choice for the female lead falls on Irene, a young, energetic, often self-confident woman, but also with insecurities and fragility.

Emanuele’s secret is a room hidden behind a door in which, like an altar, he pays homage to the few women in his life whom he has truly loved. He attaches pictures of the women to the wall and plays old films with the women’s recordings. Then again and again he carefully closes the hidden door to this room. Nobody knows about it, nobody should know anything about it. We also don’t know who these women are. A separate wall is dedicated to each of the women, only one wall is still empty. There Emanuele projects collages of the faces of the other women.

Through work, Emanuele and Irene finally get closer to each other privately. She visits him at home. And maybe she’s also a candidate for the last remaining free wall in Emanuele’s secret room.

Ferite is the third feature film by Milan-born Vittorio Rifranti, after L’ATTESA (1992), LO SGUARDO NASCOSTO (2004) and TAGLIARE LE PARTI IN GRIGIO (2007). The latter won a prize at the Locarno Film Festival, but Rifranti’s films always follow at a great distance. FERITE – meaning “wounds” is a carefully and slowly told film that allows the viewer time to learn more about Emanuele. You enjoy watching it, but then you soon feel uncomfortable: The attractive, middle-aged Emanuele explains the world to the young women and uses his opportunities to meet young women at the theater. At first glance, this seems neither to be problematized nor discussed. But then Irene discovers Emanuele’s secrets – and the film takes an impressive turn.

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