EO – A film by Jerzy Skolimowski

EO – A film by Jerzy Skolimowski
EO – A film by Jerzy Skolimowski

English version below
Kinostart in Deutschland: 22. Dezember 2022

EO ist der Protagonist des Films. EO ist ein Esel. Wir begegnen ihm das erste Mal bei seinem Auftritt in der Manege. In einer fiebrigen Szene, blitzende rote Lichter, majestätische Musik, die Artistin, die „großartige Kassandra“ – die eigentlich Magda heißt, erweckt den scheinbar sterbenden EO mit ihrem Atem wieder zum Leben. Applaus brandet auf. Kassandra liebt ihren Esel, sie haben eine innige Beziehung. Aber nicht alle behandeln den Esel so liebevoll. Er muss auch Lasten schleppen – und wenn er sich verweigert, schlägt ihn der wütende Vasil mit der Peitsche. Für Vasil muss er auch Altmetall zum Schrottplatz schleppen. Doch eines Tages erlassen einige polnische Städte ein Verbot von Tieren im Zirkus. Demonstranten schwingen wütend Plakate vor dem Zirkus. „Dressur ist Quälerei“ schreien sie. Ein Beamter kommt vorbei und beschlagnahmt die Tiere. Kamele und Esel werden weggezerrt, Kassandra ist verzweifelt, weil sie den von ihr so sorgsam gepflegten EO gehen lassen muss. Sie kann nur noch dem LKW hinterhersehen, der den verzweifelt wiehernden EO wegbringt. Irgendwohin wird der Esel gebracht, aufs Land, aber dort sieht er schon Pferde wild über die Felder reiten, in Freiheit, nicht dressiert und nicht eingepfercht. EO – und mit ihm eine Menge Pferde kommen in einem in einer lachhaften Zeremonie eingeweihten Hof unter. Die Tiere werden gut behandelt und EO darf schließlich zu seinen Artgenossen auf einem kleinen Bauernhof. Die Bäuerin kümmert sich liebevoll um das Tier, aber dennoch wirkt EO traurig, er scheint Kassandra zu vermissen. Aber er scheint gut behütet zu sein, er darf auch an Eselreiten mit Kindern teilnehmen. Doch eines Abends taucht Kassandra auf, endlich hat sie ihn gefunden. Er bekommt sein geliebtes Möhren-Muffin. Aber sie muss ihn schließlich zurücklassen, tränenerfüllt geht sie fort. Doch EOs Sehnsucht ist zu groß. Er befreit sich und will seiner geliebten Kassandra folgen. Aber sie ist schon fort und es ist mitten in der Nacht. Und so irrt er durch den finsteren Wald, begegnet dem Fuchs – und nächtlichen Wilderern. Ein sonderbarer, mit Fledermäusen bevölkerter Tunnel führt ihn schließlich aus dem Wald hinaus auf grasbewachsene Hügel. Seltsames rotglühendes Licht könnte die Morgendämmerung andeuten – vielleicht aber auch den Tod – dem wir zwischenzeitlich begegnen, als ein Vogel von den Flügeln eines Windrades getötet wird. Schließlich landet EO wieder in der Zivilisation, ein verlassen wirkendes Altstädtchen. Niemand ist unterwegs, die Straße sind menschenleer, Aquarienfische im Schaufenster einer Zoohandlung sind die einzigen Lebewesen, denen er zunächst begegnet. Doch dann kommt die Feuerwehr, die ihn einfangen soll, schließlich haben Tiere wie EO nichts in einer Innenstadt verloren. Doch kaum ist er eingefangen, wird er auch schon von einem betrunkenen Fußballfan wieder losgebunden und so wird er Augenzeuge eines lokalen Fußballspiels – na er wird umgehend sogar zum Maskottchen der blauweißen Mannschaft. Doch damit gerät er auch zwischen die Fronten aggressiver Fußballfanatiker…

EO – A film by Jerzy Skolimowski

EO wandert durch die sonderbare Welt der Menschen, die bisweilen überraschend freundlich und zugeneigt sind, manchmal aber auch unerklärlich aggressiv – und häufig töricht. Es gibt Menschen, die ihn Leben, andere, die ihre Wut und ihre ungezügelten Aggressionen an ihm auslassen. Er will Freiheit, aber gerne auch die Nähe von Menschen, die ihm zugeneigt sind – und manchmal will er halt einfach nur Karotten und Heu.

Skolimowskis Film ist bisweilen ein Märchen oder eine Fabel, manchmal aber auch eine Satire oder eine poetische, kritische, metaphorische Auseinandersetzung mit unserem Umgang mit Tier und Natur. So etwas wie Ideologien, Fantum, sinnlose Aggressionen – sind ihm fremd. Er versteht nicht so recht, warum gegen Zirkustiere demonstriert wird, wo seine Kassandra sich doch dort so liebevoll kümmert – und ihn vor dem aggressiven, rücksichtslosen Vasil beschützt. „Ich wollte vor allem einen Film machen, dessen Erzählung auf Emotionen gründet – viel stärker als in jedem meiner vorherigen Filme“, sagt Skolimowski. Über seine Zusammenarbeit mit der Drehbuchautorin Ewa Piaskowska meint Skolimowski: „EO ist das dritte Drehbuch, das wir gemeinsam geschrieben haben. Die Methode ist einfach: einer von uns hat eine Idee …, dann folgt das Brainstorming. Ewa übernimmt daraufhin den größten Teil der Drehbucharbeit und ich nehme entsprechende Anpassungen vor, sei es durch Hinzufügungen oder Kürzungen. Normalerweise schreiben wir auf Polnisch und Ewa kümmert sich danach um die englische Übersetzung.“

EO – A film by Jerzy Skolimowski

Und so fühle ich mich auch ein bisschen wie in einem Werk, das nicht immer übers Brainstorming hinausgekommen ist – und andererseits dann aber auch so unglaublich tolle Bilder (Kamera: Michal Dymek) und einen faszinierenden Soundtrack (Musik: Pawel Mykietyn) hervorbringt, der einen hineinzieht und nicht loslässt. Manchmal sind es dann aber auch Klischees, die die Handlung zu sehr an der Oberfläche halten – etwa in den Szenen mit dem rücksichtslosen Zirkusmenschen Vasil – und erst recht in den Szenen mit den Fußballern.

Bis heute ist Skolimowski für mich der Regisseur von „Deep End“ aus dem Jahr 1970 – ein Nouvelle Vague-Meisterwerk, jeder der es nicht kennt, möge es nachholen, auch wenn es scheinbar auf den gängigen Streamingportalen nicht zu bekommen ist – immerhin ist er als Blu-Ray oder DVD (übrigens auch in meiner örtlichen Bibliothek) erhältlich. EO, so sagt der Pressetext, sei von Robert Bressons Au hasard Balthazar (Zum Beispiel Balthasar, 1966) inspiriert beeinflusst und gar eine Hommage darauf.

EO – A film by Jerzy Skolimowski

EO ist mir manchmal visionär, manchmal ist er mir aber auch etwas wirr und chaotisch – und bisweilen weiß ich einfach nicht, was er mir sagen möchte. Trotz allem ist er mit seiner Sperrigkeit und seiner Ferne zum Mainstreamkino dennoch absolut sehenswert.

2022 Polen, Italien / 88 Minuten

CAST

EO: HOLA, TAKO, MARIETTA, ETTORE, ROCCO, MELA

Kasandra SANDRA DRZYMALSKA

Ziom TOMASZ ORGANEK

Mateo MATEUSZ KOŚCIUKIEWICZ

Vito LORENZO ZURZOLO

Die Gräfin ISABELLE HUPPERT

CREW

Regie: JERZY SKOLIMOWSKI

Drehbuch: EWA PIASKOWSKA, JERZY SKOLIMOWSKI

Kamera: MICHAŁ DYMEK PSC

zusätzliche Kamera: PAWEŁ EDELMAN PSC, MICHAŁ ENGLERT PSC

Schnitt: AGNIESZKA GLIŃSKA PSM

Musik: PAWEŁ MYKIETYN

Produktion: EWA PIASKOWSKA, JERZY SKOLIMOWSKI

Co-Produktion: EILEEN MURIEL TASCA

Ausführender Produzent: JEREMY THOMAS

WELTPREMIERE: 75. Internationale Filmfestspiele von Cannes 2022

Offizieller Beitrag Polens für die Oscars 2023. Nominierung für Jerzy Skolimowski in der Kategorie „European Director“ bei den European Film Awards 2022.

EO – A film by Jerzy Skolimowski

ENGLISH VERSION

EO is the protagonist of the film. EO is a donkey. We meet him for the first time during his performance in the ring. In a feverish scene, flashing red lights, majestic music, the artiste, the „magnificent Cassandra“ – whose real name is Magda, brings the seemingly dying EO back to life with her breath. Applause breaks out. Kassandra loves her donkey, they have an intimate relationship. But not everyone treats the donkey so lovingly. He also has to carry loads – and if he refuses, the enraged Vasil whips him. He also has to haul scrap metal to the scrap yard for Vasil. But one day some Polish cities enact a ban on animals in the circus. Demonstrators angrily wave placards in front of the circus. „Dressage is torture“ they scream. An officer comes by and confiscates the animals. Camels and donkeys are dragged away, Kassandra is in despair because she has to let go of the EO she so carefully tends to. All she can do is watch the truck take away the desperately whinnying EO. The donkey is taken somewhere, to the country, but there he already sees horses riding wildly across the fields, in freedom, not trained and not penned up. EO – and with him a lot of horses are housed in a farm inaugurated in a ridiculous ceremony. The animals are treated well and EO is finally allowed to join his conspecifics on a small farm. The farmer’s wife lovingly takes care of the animal, but EO still seems sad, he seems to miss Kassandra. But he seems to be well looked after, he is also allowed to take part in donkey rides with children. But one evening Kassandra shows up, she has finally found him. He gets his beloved carrot muffin. But in the end she has to leave him behind, she goes away in tears. But EO’s longing is too great. He frees himself and wants to follow his beloved Cassandra. But she’s already gone and it’s the middle of the night. And so he strays through the dark forest, meets the fox – and nocturnal poachers. A strange tunnel inhabited by bats finally leads him out of the forest onto grassy hills. Strange glowing red light may portend dawn – but perhaps death – which we meanwhile encounter when a bird is killed by the wings of a pinwheel. Eventually EO ends up back in civilization, a seemingly deserted old town. Nobody is out and about, the streets are deserted, aquarium fish in the window of a pet shop are the only creatures he first encounters. But then the fire brigade arrives to catch him, after all, animals like EO have no place in a city center. But as soon as he’s captured, he’s untied by a drunk football fan and becomes an eyewitness to a local football game – and he even becomes the mascot of the blue and white team. But that also gets him caught between the fronts of aggressive football fanatics…

EO wanders the odd world of humans, at times surprisingly kind and affectionate, at times inexplicably aggressive – and often foolish. There are people who live it, others who vent their anger and unbridled aggression on it. He wants freedom, but also likes to be around people who are fond of him – and sometimes he just wants carrots and hay.

EO – A film by Jerzy Skolimowski

Skolimowski’s film is sometimes a fairy tale or a fable, but sometimes also a satire or a poetic, critical, metaphorical examination of our dealings with animals and nature. Something like ideologies, fandom, senseless aggression – are foreign to him. He doesn’t quite understand why there are demonstrations against circus animals when his Cassandra takes care of them so lovingly – and protects him from the aggressive, ruthless Vasil. “Above all, I wanted to make a film with a narrative based on emotion – much more so than in any of my previous films,” says Skolimowski. Speaking of his collaboration with screenwriter Ewa Piaskowska, Skolimowski says, “EO is the third screenplay we’ve written together. The method is simple: one of us has an idea…then we brainstorm. Ewa then takes over most of the script work and I make the appropriate adjustments, be it through additions or cuts. We usually write in Polish and Ewa takes care of the English translation afterwards.”

And that’s how I feel a bit like I’m in a work that didn’t always go beyond brainstorming – and on the other hand it also produces incredibly great pictures (camera: Michal Dymek) and a fascinating soundtrack (music: Pawel Mykietyn) that makes you pulls in and doesn’t let go. But sometimes there are also clichés that keep the plot too superficial – for example in the scenes with the ruthless circus man Vasil – and especially in the scenes with the footballers.

To this day, Skolimowski is the director of „Deep End“ from 1970 for me – a Nouvelle Vague masterpiece, anyone who doesn’t know it should catch up, even if it doesn’t seem to be available on the usual streaming portals – after all, he is Available on Blu-Ray or DVD (also in my local library, by the way). According to the press release, EO was inspired by Robert Bresson’s Au hasard Balthazar (For Example Balthasar, 1966) and even paid homage to it.

EO is sometimes visionary to me, but sometimes he’s a bit confused and chaotic – and sometimes I just don’t know what he’s trying to tell me. Despite everything, with its bulkiness and its distance from mainstream cinema, it is still absolutely worth seeing.

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