TOKYO UBER BLUES von Taku Aoyagi beim Nippon Connection Film Festival in Frankfurt

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Taku Aoyagi lebt am Rand der Weltmetropole Tokyo. April 2020. Die Coronapandemie ist gerade ausgebrochen, man näht sich noch selbst Stoffmasken. Taku hat Schulden von seinem Studium angehäuft, aber plötzlich schwinden alle Möglichkeiten, genug Geld zu verdienen, um die Schulden abzubauen. Die Kneipen haben zu, ebenso Geschäfte und sogar die Supermärkte stellen gerade niemanden mehr ein. Die einzige Möglichkeit, jetzt noch zu Geld zu kommen, scheint der Einstieg ins Essenslieferbusiness zu sein. Bestellt wird nämlich wie verrückt, damit die Leute das Haus nicht verlassen müssen. Ein sicheres Einkommen ist versprochen, also fängt Taku bei Uber Eats an. Dazu muss er erst einmal mit dem Fahrrad vom grünen Stadtrand in die Innenstadt fahren, nach Shinjuku, bergauf, bergab, durch Tunnel, der leuchtenden Skyline Shinjukus entgegen – und das alles, viele Kilometer, mit dem Fahrrad. Taku ist aber guter Dinge, zumindest jetzt noch.

Atemberaubend leer ist die sonst von Menschenmassen durchströmte Multimillionenstadt. Nur Obdachlose hängen auf den Straßen herum. Und Ratten. Also radelt er los, als Selbstunternehmer, liefert essen aus, mit der Gopro auf dem Helm oder am Lenker, meistens stellt er das Essen vor Haus- oder Wohnungstüren ab und macht ein Foto zum Beweis. Pausen kann er machen, wann er will, aber dann verdient er auch kein Geld. 60 $ verdient er am ersten Tag, für fast 10 Stunden Arbeit. Immerhin darf er bei einem Freund in der Stadt übernachten, Tsuchi, ein Filmemacher, der zu Hause bleibt und seine vier Wände nicht verlässt. Unglaubliche Strecken legt er zurück, zum Teil für einen einzigen Burger oder einen Drink. Wenn’s schüttet läuft das Geschäft besonders gut, der Regen nervt aber kolossal. Er sammelt Erfahrungen, hört sich bei Kollegen um, manchmal arbeitet er jetzt sogar 14 Stunden am Tag – inzwischen ist schon Mai. Immerhin trifft er sich mit Highschool-Freunden, die ihn kontaktiert haben und bei denen er jetzt unterkommen kann. Seinen 27. Geburtstag verbringt er einsam, also wagt er es mit schlotternden Knien, sich eine Prostituierte in ein Stundenhotel zu bestellen. Und dann ist Taku irgendwann völlig fertig, kann nicht mehr arbeiten, pennt auch mal auf der Straße – und lügt seine Oma an, dass er richtig gut Geld verdiene. Alles droht in einem großen Desaster zu enden…

„Tokyo Uber Blues“ ist ein einfacher, aber überzeugender, kleiner Dokumentarfilm, ein Ein-Mann-Werk, bei dem Taku Aoyagi für quasi alles zuständig war. Trotz seiner Einfachheit ist er aber dramaturgisch überzeugend gestaltet. Es ist eine Coronadoku ebenso wie eine Doku über ein Selbstexperiment im Bereich prekärer Beschäftigungsverhältnisse.

ENGLISH VERSION

TOKYO UBER BLUES by Taku Aoyagi at the Nippon Connection Film Festival in Frankfurt

Taku Aoyagi lives on the outskirts of the metropolis Tokyo. April 2020. The corona pandemic has just broken out, people still sew fabric masks themselves. Taku has accumulated debt from his studies, but suddenly all opportunities to earn enough money to pay off the debt disappear. The pubs are closed, as are shops and even the supermarkets are no longer hiring. The only way to make money now seems to be to get into the food delivery business. People order like crazy so people don’t have to leave the house. A secure income is promised, so Taku starts at Uber Eats. To do this, he first has to ride his bike from the green outskirts of the city to the city center, to Shinjuku, uphill, downhill, through tunnels, towards the shining skyline of Shinjuku – and all that, many kilometers, by bike. But Taku is in good spirits, at least for now.

The multi-million city, otherwise crowded with people, is breathtakingly empty. Only homeless people hang around the streets. And rats. So he bikes off, as a self-employed person, delivers food, with the Gopro on his helmet or on the handlebars, he usually leaves the food in front of house or apartment doors and takes a photo to prove it. He can take breaks whenever he wants, but then he doesn’t earn any money. He earns $60 the first day for almost 10 hours of work. At least he gets to stay with a friend in town, Tsuchi, a filmmaker who stays at home and doesn’t leave his four walls. He travels incredible distances, sometimes for a single burger or a drink. Business is particularly good when it pours, but the rain is really annoying. He gathers experience, asks around his colleagues, sometimes he even works 14 hours a day now – it’s already May. After all, he meets up with high school friends who have contacted him and who he can now stay with. He’s spending his 27th birthday alone, so he dares, with shaking knees, to hire a prostitute in a love hotel. And then at some point Taku is completely exhausted, can no longer work, sometimes sleeps on the street – and lies to his grandmother that he earns really good money. Everything threatens to end in a great disaster…

Tokyo Uber Blues is a simple but compelling little documentary, a one-man effort with Taku Aoyagi doing pretty much everything. Despite its simplicity, it is dramaturgically convincing. It is a corona documentary as well as a documentary about a self-experiment in the field of precarious employment.

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