JUNE ZERO von Jake Paltrow beim Jüdischen Filmfestival Berlin-Brandenburg

JUNE ZERO von Jake Paltrow beim Jüdischen Filmfestival Berlin-Brandenburg

JAKE PALTROW US/IL 2022 105 MIN

Originalitel JUNE ZERO

Jüdisches Filmfestival Berlin-Brandenburg (13.-18. Juni 2023)
https://jfbb.info/programm/filme/june-zero

Internationaler Titel JUNE ZERO
Deutscher Titel JUNE ZERO
JFBB Sektion WETTBEWERB SPIELFILM
Regisseur JAKE PALTROW
Land/Länder US/IL
Jahr 2022
Dauer 105 MIN

Israel, im Juni des Jahres 1962. David ist ein 13-jähriger lybisch-jüdischer Junge – zu Hause wird eigentlich Arabisch gesprochen. Hin und wieder begeht er morgens auf dem Schulweg kleine Diebstähle, seinen kleinen Bruder Israel zieht er mit hinein, und auch als der bei einem Diebstahl – ein kleines Schmuckstück – verletzt wird, darf der Vater bloß nichts erfahren. Aus Gold glaubt er, wäre das Schöne Teil, aber es ist bloß Messing, klärt ihn sein Schulkamerad Mossi auf. Dieser liest gerade – und nun erfahren wir das erste Mal, an welch geschichtsträchtigem Zeitpunkt wir uns befinden – eine Zeitung, in der nicht nur – für die Jungs höchst attraktiv, eine spärlich bekleidete Frau abgebildet ist, sondern auch die Verurteilung des SS-Kriegsverbrechers Adolf Eichmann angekündigt wird. Im Klassenzimmer hören die Kinder dann die Berichterstattung über den Prozessbeginn gegen Eichmann. Nach der Schule steht draußen Davids Papa, der stinkesauer ist wegen Davids Taten. Dem Vater ist es vor allem wichtig, dass man sich integriert und nicht auffällt als Migrantenfamilie aus Libyen, und da fällt alles, was David so tut, aus dem Rahmen. Der Vater will, dass David Geld verdient, in einer Werkstatt, die Kibbuzöfen reinigt und repariert – und fürs Reinigen sollte man möglichst klein sein, damit man hineinkriechen kann – und das ist ein Job für Kinder wie David. Gleich beim Probearbeiten klaut er aber eine wertvolle Taschenuhr und glaubt, dass er sich daher nicht mehr blicken lassen kann. In der Schule geht’s derweil um nichts mehr anderes als Adolf Eichmann – und David wird auch noch von seinem aschkenasischen Lehrer gemobbt, weil er eben ein sephardischer Migrant aus Libyen ist – und weil er offenbar zu Hause aufgeschnappt ist, dass Eichmann ja nicht unbedingt zum Tode verurteilt werden müsse. Dabei, das erfahren wir nun, war Davids Vater in einem lybischen Lager der Nazis. Als David aus der Klasse fliegt, beschließt er, dass er doch zurück in die Werkstatt will, um dort zu arbeiten. Und schon bald merkt sein strenger Chef Zebco, dass er in seinem jungen Mitarbeiter einen engagierten, gewieften Kerl gefunden hat. Heimlich will David die geklaute Taschenuhr zurücklegen, doch da fällt sie ihm hin und das Glas geht kaputt. Bei der Gelegenheit belauscht er Zebco und erfährt, dass dieser einen heimlichen Plan ausheckt – Eichmann betreffend…

Unterdessen muss der marokkanische Jude Hayim, einer der Bewacher Eichmanns, für die Sicherheit des angeklagten Nazi-Schergen sorgen. Akribisch und schweißgebadet sorgt er dafür, dass keiner der anderen Männer im Wachpersonal Aschkenasi ist, damit es auch bloß nicht zu Racheaktionen kommt. Panisch wird Hayim beinahe, als ein Friseur Eichmann die Haare schneiden soll – und daher mit seiner Schere dem Angeklagten gefährlich nahekommen kann.

Das dritte Schicksal, das mit Eichmann verknüpft ist, ist schließlich jenes von Micha, der an den Verhören gegen Eichmann beteiligt war. Micha war im KZ, er ist ein Überlebender der Shoah und er berichtet einer Gruppe von Touristen in Polen von seinen Erlebnissen im Ghetto.

Dem Regisseur Jake Paltrow (übrigens der jüngere Bruder von Gwyneth Paltrow) gelingt es, drei völlig unterschiedliche, mit Adolf Eichmann verknüpfte Geschichten so sehr miteinander zu verweben, dass dem Film seine erzählerische Geschlossenheit nicht verloren geht. JUNE ZERO spiegelt die Stimmung im Israel jenes Jahres in beeindruckender Weise wider und der Film beleuchtet die wichtige Bedeutung dieser Zeit für das Selbstverständnis der Menschen im Land. Die israelische Gesellschaft bestand eben nicht nur aus Jüd*innen, die aus Europa stammen, aus Aschkenasim. Aber was bedeutet das Trauma der Shoa für die Jüd*innen, die eben nicht aus Europa kommen, sondern zum Beispiel aus Libyen wie der kleine David? Der Film untersucht diese Fragen in beeindruckender Weise. Alle Episoden werden in höchst unterschiedlicher Weise erzählt, am intensivsten ist mir die erste Episode mit dem Jungen in Erinnerung geblieben.

ENGLISH VERSION

Israel, June 1962. David is a 13-year-old Libyan-Jewish boy – Arabic is actually spoken at home. Every now and then he commits petty thefts on the way to school in the morning, he involves his little brother Israel, and when he is injured in a theft – a small piece of jewelry – the father mustn’t find out anything. He thinks the nice thing is made of gold, but it’s just brass, his schoolmate Mossi explains to him. He is reading – and now we find out for the first time at what historical point in time we are – a newspaper in which not only a scantily clad woman is depicted, which is extremely attractive to the boys, but also the conviction of the SS war criminal Adolf Eichmann is announced. In the classroom, the children then hear the report on the beginning of the trial against Eichmann. After school, David’s dad stands outside, who is pissed off about David’s actions. It is particularly important to the father that one integrates and does not attract attention as a migrant family from Libya, and everything that David does is out of the ordinary. The father wants David to earn money in a workshop that cleans and repairs kibbutz ovens – and for cleaning you should be as small as possible so that you can crawl in – and that’s a job for children like David. However, as soon as he tried out he stole a valuable pocket watch and believed that he could no longer show up. At school, meanwhile, it’s all about Adolf Eichmann – and David is also bullied by his Ashkenazi teacher because he is a Sephardic migrant from Libya – and because he apparently picked up at home that Eichmann wasn’t necessarily going to death must be condemned. At the same time, we now learn that David’s father was in a Nazi camp in Libya. When David is thrown out of class, he decides that he wants to go back to the workshop to work there. And his strict boss, Zebco, soon realizes that he has found a dedicated, smart guy in his young employee. David secretly wants to put the stolen pocket watch back, but then it falls down and the glass breaks. He takes the opportunity to overhear Zebco and learns that he is hatching a secret plan – concerning Eichmann…

Meanwhile, the Moroccan Jew Hayim, one of Eichmann’s guards, has to ensure the safety of the accused Nazi henchman. Meticulous and bathed in sweat, he makes sure that none of the other men on the guards are Ashkenazi, so that there are no revenge actions. Hayim almost panics when a hairdresser is supposed to cut Eichmann’s hair – and can therefore get dangerously close to the accused with his scissors.

Finally, the third fate linked to Eichmann is that of Micha, who was involved in the interrogations against Eichmann. Micha was in a concentration camp, he is a survivor of the Shoah and he tells a group of tourists in Poland about his experiences in the ghetto.

Director Jake Paltrow (who is Gwyneth Paltrow’s younger brother, by the way) succeeds in weaving three completely different stories linked to Adolf Eichmann together so well that the film does not lose its narrative cohesion. JUNE ZERO impressively reflects the mood in Israel that year and the film highlights the importance of this time for the self-image of the people in the country. Israeli society did not only consist of Jews who came from Europe, from Ashkenazim. But what does the trauma of the Shoah mean for the Jews who do not come from Europe but, for example, from Libya like little David? The film examines these questions in an impressive way. All episodes are told in very different ways, I remember the first episode with the boy the most vividly.

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