JENSEITS DER BLAUEN GRENZE beim Max-Ophüls-Festival

Jenseits der Blauen Grenze (c) Jakob Fliedner, Wood Water Films —

Regie: Sarah Neumann | Deutschland 2024 | 102 Min. | FSK ab 12

Die ehrgeizige Hanna Klein (Lena Urzendowsky) ist eine talentierte Schwimmerin. Ihre Ergebnisse sind erstklassig, sie wird ausgewählt, an der Jugendspartakiade in Leipzig teilzunehmen. Ihr Traum ist es, einmal für die DDR an Olympischen Spielen teilzunehmen und dort eine Goldmedaille zu gewinnen. Ihr Vater hat psychische Probleme, ihre Mutter muss viel arbeiten. Ihr Nachbar in der Plattenbausiedlung und bester Freund Andreas Kuschwitz (Willi Geitmann) schraubt hingegen lieber an seiner Simson herum oder klaut im Intershop. Zuhause hat er regelmäßig Stress, sein Vater ist Alkoholiker. In der Schule auch, er passt sich ungerne an – und das ist in der DDR nicht gerne gesehen. Zu Andreas und Hanna stößt noch Jens „Jensi“ Blum dazu, aus Sachsen stammend, mit einem schweren sächsischen Dialekt, er hat eine Freundin in Dresden und sammelt Comics. Die drei werden enge Freunde. Während Hanna die Chance bekommt, auf die Jugendsportschule zu gehen, muss Andreas auf einen Jugendwerkhof, wo er wegen seines störrischen Verhaltens „sozialistisch umerzogen“ werden soll. Doch der Versuch, ihn dadurch systemtreu zu machen, misslingt, Andreas wird immer rebellischer und schmiedet einen Plan: Er will abhauen – und damit Jensi folgen, der überraschend mit seiner Familie ausreisen durfte und inzwischen in Hamburg lebt. Andreas‘ Plan ist, über die Ostsee nach Fehmarn zu schwimmen- 50 Kilometer auf dem Weg zur Freiheit. Hanna soll ihn trainieren. Doch nun steht sie vor der Entscheidung, mit ihm zu gehen, damit er es mit ihrer Erfahrung überhaupt schafft – oder in der DDR zu bleiben, wo sie gute Chancen hat, in der sozialistischen Gesellschaft weiter anerkannt und gefördert zu werden.

„Das Thema Flucht ist aktuell wie nie. Häufig wird vergessen, dass Flüchtende keineswegs nur Menschen aus weit entfernten Ländern sind“, erzählt die Regisseurin Sarah Neumann. „Die anfängliche Euphorie, die zunehmende Erschöpfung, der Kampf gegen äußere Einflüsse, der Verfall der Ausrüstung und des Körpers, schließlich der innere Kampf und die Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben prägen einen absoluten Ausnahmezustand, den es annähernd begreifbar zu machen wohl nur die Kinoleinwand versuchen kann. Es existieren bereits Filme über die DDR, speziell über Fluchtversuche. Das Besondere an dem Film JENSEITS DER BLAUEN GRENZE ist für mich, zwei junge Menschen zu erzählen, die trotz zahlreicher Ungerechtigkeiten um ein freies, selbstbestimmtes Leben und letztendlich um Anerkennung kämpfen – ein Thema, mit welchem ich mich in meinen Filmen immer wieder auseinandersetze.“

Sarah Neumann stammt aus Görlitz. Film studierte sie an der FU Berlin, schließlich Regie an der Filmakademie Baden-Württemberg. JENSEITS DER BLAUEN GRENZE ist nach einigen kurzen und mittellangen Filmen ihr Spielfilmdebüt. „In der DDR war es sehr schwer, Anerkennung zu bekommen, herauszustechen, etwas Besonderes zu sein, wenn man nicht linientreu sein wollte. Aus einem harmlosen Spaß konnte plötzlich bitterer Ernst mit schweren Konsequenzen für das ganze Leben werden, wie das bei Andreas der Fall ist. Bei Hanna zeigt sich die Sehnsucht nach Anerkennung in ihrem Traum, eine erfolgreiche Leistungsschwimmerin zu werden“, sagt sie. „Der Film JENSEITS DER BLAUEN GRENZE soll eine Achterbahn aus Hoffnung und Angst werden, Lachen und Bangen, er soll verzaubern und aufwecken und den Zuschauer mitnehmen auf eine vielschichtige Reise durch unsere eigene, nicht allzu ferne Geschichte.“

JENSEITS DER BLAUEN GRENZE ist eine intensive und spannende DDR-Fluchtgeschichte. Insbesondere Lena Urzendowsky beeindruckt in der Hauptrolle. Was mich nicht komplett überzeugt ist der stetige Wechsel in die Rückblende. Liegt vielleicht an mir, aber ich mag’s doch gerne in zeitlicher Abfolge erzählt. Dennoch überzeugen die Fluchtszenen im Meer und Sarah Neumanns Debütfilm bleibt in jedem Fall in Erinnerung und gerät zu einem der besten Filme des diesjährigen Max-Ophüls-Festivals.

FILMOGRAFIE SARAH NEUMANN (Auswahl)

2019 KÄFIGTIGER, 27 min, Buch & Regie

2018 SONNE SCHEINT ÜBER AUGUST, 21 min, Regie

2017 UFO, Pilot for a Snapchat-Series, 7 min, Buch & Regie

2016 2 GIRLS, 5 min, Buch & Regie

2016 TRAUMTELEFON (1984), Spec-Spot, 2 min, Buch & Regie

2015 REA, 8 min., Buch & Regie

2015 MARGIT, 6 min, Buch & Regie

2012 NAKED, 7 min, Buch & Regie

2010 WENT OUT, 10 min, Buch & Regie

++

INFO
Laufzeit Spielfilm, 102 Min.
Produktionsjahr 2024
Produktionsland Deutschland
Sprache Deutsch
Produktion Wood Water Films
Koproduktion SWR, ARTE, Filmakademie Baden-Württemberg
Redaktion Stefanie Groß, Barbara Häbe
Förderung MFG Filmförderung Baden-Württemberg

CREW
Darsteller:innen
Lena Urzendowsky, Willi Geitmann, Jannis Veihelmann
Buch & Regie Sarah Neumann
Romanvorlage Dorit Linke
Produzent:innen Karoline Henkel, Jasper Mielke, Arto Sebastian
Producer:innen Nicola Pantzke, Felix Schreiber
Bildgestaltung Nikolaus Schreiber
Szenenbild Lorena Hahn
Kostümbild Mara Laibacher
Maskenbild Selina Schardt
Editorin Elena Schmidt
Ton Max Hartstang
Musik Dominik Matzka
Casting Natascha Zimmermann, Patrick Dreikauss

https://ffmop.de/film_detail/movie-656a1608e1483

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