ZEPPELIN OBEN RECHTS, ein Dokumentarfilm von Olli Duerr bei den Hofer Filmtagen

Zeppelin oben rechts, Regie Olli Duerr

Im Jahr 2001 gründete Andrea Lührig das Atelier23 der Lebenshilfe in Gießen, ein Atelier für Künstlerinnen und Künstler mit einer Behinderung oder einer psychischen Erkrankung. Die Künstlerinnen und Künstler entwickeln ihre Arbeiten selbst und stellen sie in der dazugehörigen, inklusiven Galerie23 aus. Drei Jahre lang, 2019 bis 2023, begleitete der Regisseur Olli Dürr sie bei der Arbeit.

Ich habe ja einen persönlichen Bezug zur Lebenshilfe, weil ich dort im 1990/1991 meinen Zivildienst ableistete, in einer Tagesstätte für geistig behinderte Erwachsene in Lörrach. Die 14 Monate bei der Lebenshilfe waren wirklich prägend für mich und obwohl das jetzt über dreißig Jahre her ist, kann ich mich noch genau an alle erinnern, es war eine sehr kleine Gruppe, Ilona, Klaus, Thea, von manchen habe ich mittlerweile die Namen vergessen, aber ich kann mich noch so sehr an ihre Eigenheiten, an Erlebnisse mit ihnen, an Anekdoten erinnern, an die Unternehmungen mit ihnen, Ausflüge etc. Erst kürzlich kam ich am Gelände der Lebenshilfe in Lörrach wieder vorbei, es hat sich einiges geändert und ich glaube in der alten Villa ist jetzt auch keine Tagesstätte mehr.

„Zeppelin oben rechts“ erzählt von künstlerischer Arbeit, von Techniken, von Blickwinkeln und man erfährt von den besonderen Herausforderungen, vor denen die Protagonist*innen des Films bei ihrer künstlerischen Betätigung stehen. Es geht im Atelier23 nicht in erster Linie um Therapie, sondern darum, Talente zu fördern, sei es in Malerei, Druckgrafik, Fotografie etc. Es ist so unglaublich beruhigend, diesen so verschiedenen Menschen bei ihrer künstlerischen Betätigung zuzusehen, es ist faszinierend, ihre Ideen und deren Umsetzung zu verfolgen, und wie ihre Behinderung ihre kreative Tätigkeit beeinflusst: Birgit Gigler, Jens Bleckmann, Eric Kosuch, Mirka Holsteinová, Lena Kasperski, Andreas Kuhl und Uwe Breckner heißen sie. Auch die Anekdoten, die sie erzählen sind großartig: Die Frau, die als Mädchen ihrer Mutter Geld geklaut hatte, um Filzstifte zu kaufen. Oder als mal Til Schweiger zu Besuch im Atelier war.

Und was dabei herauskommt ist der Hammer: Großartig ist es zum Beispiel Andreas Kuhl, den Fotografen, zu begleiten, wie er Strommasten und Lampen fotografiert. Mit einer Akribie und großartigen Ideen. Er ist persönlich beleidigt, wenn sich jemand nicht für seine Strommastenbilder interessiert. Die Linoleumdrucke, die Zeichnungen, die Gemälde, die Fotografien, die vor den Augen der Zuschauer entstehen, sind so unglaublich persönlich, kreativ, einfach großartig. Jeder hat seinen unglaublich individuellen Stil, den man wiedererkennt, jeder hat seine eigene Herangehensweise. Bewundernswert. Ganz speziell: Einer der Künstler baut aus Karton Kirmesfahrgeschäfte oder Buden nach. Total faszinierend. Und dann naht der Höhepunkt: die Ausstellung in der Galerie.

„Zeppelin oben rechts“ ist das Langdokumentarfilmdebüt des Regisseurs Olli Duerr, der einen vielfältigen künstlerischen Hintergrund hat: Er lernte Buchdruck, arbeitete auch in einer Druckerei, studierte schließlich Filmwissenschaft und Kunst in Mainz, arbeitete als Kameramann, Fotograf, Illustrator und auch als Gastronom. Zu seinen Kurzfilmen zählen RIND (2011), KAFFEEFAHRT (2012), KRAUT (2013) und DAMPF (2016). Ihm gelingt ein unglaublich faszinierender, berührender, persönlicher Dokumentarfilm, voller Details, Geschichten und Charaktere, ein Film, der mir lange in Erinnerung bleiben wird.

„Zeppelin oben rechts“ war der Eröffnungsfilm der diesjährigen 58. Internationalen Hofer Filmtage, die noch bis zum 27. Oktober dauern. Es gibt noch folgende Vorführungen des Films:


Mittwoch 14:15 Scala 1

Donnerstag 12:15 Scala 2

Samstag 22:45 Scala 2

Tickets gibt es hier: https://www.hofer-filmtage.com/de/2024#tickets

Regisseur Olli Duerr

mit Birgit Gigler, Jens Bleckmann, Eric Kosuch, Mirka Holsteinová, Lena Kasperski, Andreas Kuhl, Uwe Breckner

2024, Länge: 92 Minuten

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