
Es gab eine Zeit, in der ich Bergsteigerbücher en masse verschlungen habe. Ich habe die Geschichten über Reinhold Messner, über Edmund Hillary und Tenzing Norgay, über Walter Bonatti, Ed Viesteurs, Hans Kammerlander, Edward Whymper undundund geliebt. Das Drama, die Todesgefahr, der Erfolg, unglaubliche Geschichten. Auch Dokumentarfilme über Bergsteigen lasse ich kaum aus, der IMAX-Film „Everest – Gipfel ohne Gnade“ aus dem Jahr 1998 ist mir zutiefst in Erinnerung geblieben. Es sind Geschichten voller Mythen und Schicksale. Und dennoch oder gerade deswegen liegt mir nichts ferner, als selbst einen Achttausender oder ähnlich hohes zu besteigen. Für mich ist das extreme Bergsteigen ein Spiel mit dem Tod: Abstürze, Lawinen, Felsstürze, Gehirnödeme, Lungenödeme, Erfrierungen, mir eine zu große Vielfalt an Möglichkeiten, dabei ums Leben zu kommen oder Zehen zu verlieren. Am Nanga Parbat starben beispielsweise bis 2009 insgesamt 68 Menschen bei dann doch nur 326 erfolgreichen Besteigungen. Eine solche Geschichte voller Dramen und Mythen ist auch die Geschichte der Bergsteigerin Wanda Rutkiewicz.
Wanda Rutkiewicz war eine polnische Bergsteigerin, geboren 1942 in Litauen. Sie studierte Elektrotechnik in Breslau, sie beginnt mit dem Bergsteigen, klettert zunächst in Polen, dann in Norwegen, den Alpen, schließlich im Himalaya. Acht Achttausender bestieg sie, erfolgreich auch den Nanga Parbat, sie ist die erste Frau auf dem K2, den Cho Oyu, Annapurna und mehr, zu einer Zeit, als in den Listen fast nur Männernamen auftauchen.
Im Jahr 1992 folgt der schicksalhafte Versuch, den Kangchendzönga zu besteigen, 8586 Meter, der dritthöchste der Achttausender. Von diesem Berg wird sie nicht zurückkehren. Ihre Leiche wird nie gefunden. Gerüchte, Geschichten, Mythen begleiten ihr Verschwinden, die besten Auskünfte kann ihr letzter Wegbegleiter geben, der mexikanische Bergsteiger Carlos Carsolio, der sie auf dem Kangchendzönga begleitet hat, es aber nicht schaffte oder nicht die Kraft hatte, sie zum Absteigen zu bewegen. Vermutlich ist sie abgestürzt, aber es gibt auch spinnerte Geschichten, sie hätte sich auf ein Frauenkloster auf der Rückseite des Kangchendzönga zurückgezogen. Diese Fantasie ziehen Menschen aus den Tagebüchern, aus denen sie Sehnsüchte und Erschöpfung herauslesen.
Dreißig Jahre nach dem Verschwinden von Wanda Rutkiewicz begibt sich die Regisseurin Eliza Kubarska (THE WALL OF SHADOWS) auf Spurensuche und bereist dafür den Himalaya. Sie, selbst eine erfahrene Alpinistin, forscht in Archiven und in den Gassen von Katmandu, redet mit Einheimischen, Bauern, Nonnen in abgelegenen Klöstern, zeigt den Menschen dort Rutkiewiczs Foto.
Zahllose Interviewausschnitte mit Wanda Rutkiewicz zeigt Kubarskas Film, Dokumente über sie, Interviews mit Reinhold Messner, mit ihrer Schwester, mit ihrer Managerin. Eliza Kubarska ist Absolventin der Akademie der Bildenden Künste (Bildhauerei, Videokunst) und der Wajda-Schule für Filmregie in Warschau. Mit „The Last Expedition“ gelingt der Regisseurin eine beeindruckende und berührende Geschichte über das, was das extreme Bergsteigen so prägt – das Leben und der Tod. Diese Geschichten sind mir nicht unbedingt etwas Neues, aber die Biografie von Wanda Rutkiewicz kannte ich noch nicht. Interessanterweise ist das, was mir am eindringlichsten hängen geblieben ist, ausgerechnet nicht der Teil, in dem Eliza Kubarska sich im Himalaya auf Spurensuche nach der Bergsteigerin begibt, sondern jener, der mir über ihre frühen Jahre erzählt – über den Alltag und das Leben in Polen, über die Organisation von Bergtouren aus dem Ostblock heraus. Und um den Bogen zum Anfang wieder zu schließen, zu meinem in der reinen Beobachtung gebliebenen Interesse an der Bergsteigerei: Es sind in der Tat die Bücher und die Dokumentarfilme, die mich immer am meisten gefesselt haben. Es waren nie die Spielfilme. Die echten Geschichten sind um Welten besser, als die künstlich dramatisierten. Am 4. Februar 2025, so lese ich, kommt Cliffhanger, der Kletterfilm mit Sylvester Stallone, nach 32 Jahren für einen Tag wieder in die Kinos. Meine Empfehlung: Gehen Sie lieber in „The Last Expedition“.
Empfehlenswert.
Regie: Eliza Kubarska
Mit: Wanda Rutkiewicz | Reinhold Messner | Krzysztof Wielicki |
Carlos Carsolio | Janina Fies | Marion Feik
Polen / Schweiz 2024, 86 Min.
Englisch, Nepalesisch, Polnisch, Deutsch m. deutschen UT
Deutscher Kinostart: 30. Januar 2025
Verleih: RISE AND SHINE CINEMA
FILMOGRAFIE Eliza Kubarska
„What Happened On Pam Island“
(alias „Mountain Love Story“, 63′, 2010/11, Grand Prix-Gewinner des Bergfilmfestivals
Teplice n. Mentuji und „Mario Bello“-Preis beim Filmfestival von Trento und mehr)
„Walking Under Water“
(76′, 2014, Gewinner mehrerer Preise, einschließlich des Hot Docs
Jury-Preises (Toronto, Kanada), Gewinner des Palm Springs Festival und
des Los Angeles Film Festival Honorable Mention und mehr)
„K2 Touching The Sky“
(72′, 2015, HBO), Premiere beim Filmfestival von Locarno (Schweiz),
Vorfhrung beim IDFA (Amsterdam), Filmfestival Goldener Enzian Trento, Preis fr den
besten Spielfilm in BANFF (Kanada), Grand Prix Gewinner des Kendal Mountain Festival
(Grossbritannien), Preis fr die beste Regie beim Bilbao Mendi Festival (Spanien), Alpine
Kamera in Gold in Graz (Österreich) und mehr.
Kurzfilme: „Mama, Tata I Ja“
(„Mama, Papa und ich“, 6′, 2003), Video-Installation „Klatka“
(„Der Käfig“, 9′, 2004) , „Mexiko – eine andere Dimension“ (2007)
Sondervorführungen:
München: Rio Filmpalast, am 28.01.25 um 19.00 Uhr | zu Gast: Extrem-Bergsteigerin Billie Bierling | in Koop.: Bayerischen Rundfunk | Bayern und Berge Redaktion
Heidelberg: Gloria Kino, am 02.02.2025 um 11.00 Uhr | zu Gast: Janina Fies (Schwester v. Wanda Rutkiewicz) | Moderation: Tillmann Steinhilber
Friedrichshafen: Filmtage im Kinosaal Kiesel K42, am 09.03.25 um 11.00 Uhr | zu Gast: Produzent Kaspar Winkler, TILT Produktion
KINOTERMINE ab 30. Januar 2025
Aachen: Apollo Kino, am 30.01. um 18.15 Uhr, 02.02. um 11.00 Uhr, 04.02. um 18.15 Uhr
Aalen: Kino am Kocher, ab 30.01.25
Bad Tölz: Capitol, ab 30.01. – 05.02.25
Berlin: Bali Kino, am 01.02., 02.02., 17.02.25
Berlin: Zeiss-Großplanetarium, 01.02., 05.02., 13.02., 20.02. 2025
Bonn: Neue Filmbühne, 02.02. um 11.00 Uhr, 03.02. um 14.00 Uhr, 04.02. um 16.00 Uhr
Dettelbach: Cineworld, am 02.02.25
Dresden: Zentralkino, ab 30.01.25
Frankfurt: Mal Seh´n Kino, ab 02.02.25 und weitere Matineen
Freiberg: ePi-zentrum, 22.04.25
Großhennersdorf: Kunstbauerkino, ab 30.01.25
Hamburg: Zeise Kinos, am 04.02.25
Heidelberg: Gloria Kino, 01.02. um 16.45 Uhr, 02.02. um 11.00 Uhr, 4.2. um 16.45 Uhr
Karlsruhe: Kinemathek, am 22.02.25
Kassel: Bali-Kinos, am 02.02.25
Köln: Odeon Lichtspieltheater, 02.02. um 12.15 Uhr, 05.02. um 17.00 Uhr
Köln: Weisshaus Kino, am 09.02.25
Lüneburg: Scala, am 02.02.25, 23.02.25
München: Neues Rottmann, ab 30.01.25
München: Neues Maxim, 31.01. um 15.00 Uhr, 02.02. um 14.10 Uhr, 03.03. um 16.10 Uhr, 04.02. um 16.50 Uhr
Münster: Cinema & Kurbelkiste, am 30.01. um 17.45 Uhr, 04.02. um 17.45 Uhr, + Matineen
Nürnberg: Meisengeige, ab 30.01.25
Ochsenfurt: Casablanca, 07.02. – 09.02.25
Offenbach: filmklubb, ab 30.01.25
Oldenburg: Casablanca, ab 30.01.25
Regensburg: Kinos im Andreasstadel, ab 30.01. – 05.02.25, ab 06.02. – 12.02.25
Rottenburg: Kino im Waldhorn, am 23.02. + 26.02.25
Stuttgart: Atelier am Bollwerk, 30.01., 02.02., 05.02. jeweils nachmittags
Weingarten: Kulturzentrum Linse, ab 30.01.25
Wiesbaden: Caligari Filmbühne, am 20.02.25
Würzburg: Central im Bürgerbräu, ab 30.01.25