
Kai und sein großer Bruder Mirko. Irgendwo im Ruhrgebiet. Sichtlich gegen seinen eigenen Willen lässt sich Kai in die kriminellen Nummern seines gewalttätigen Bruders reinziehen. Das ist eigentlich nicht sein Ding, das sieht man ihm an. Aber so ein großer Bruder hat halt was zu sagen, vor allem weil die beiden eine gemeinsame, schwere Kindheit hinter sich hatten, mit früh gestorbener Mutter, schlechten Vorbildern, Aufwachsen beim strengen Onkel. Immerhin gab es Winnetou und der „Indianerethos“, der die beiden zusammenhalten ließ. Damals ist Mirko dann bald das erste Mal der Polizei begegnet. Jetzt soll Kai die Kohle für Mirko aufbewahren, immerhin 10.000 Euro. Und ausgerechnet jetzt ist es soweit: Mirko wird erwischt, landet im Knast. Schnitt.
Jahre später. Kai wird von nächtlichen Alpträumen geplagt, und das hat seinen Grund. Inzwischen ist er verheiratet, mit Ayse und er hat eine Tochter, die vierjährige Jenny. Doch wer so jung Vater wird hat bisweilen ein Problem – und das heißt Geld, vor allem, da plötzlich Jennys teure Augen-OP dazwischenkam. Und große Pläne hatten die beiden, als sie zusammenkamen. Nach Berlin oder so. Oder sogar nach Amerika. Aber er arbeitet in einem Großschlachtereibetrieb, Schweine zerlegen, da wo auch sein Onkel Andy arbeitet, und da verdient man nicht gut. Und trotz billiger Wohnung in einer heruntergekommenen Gegend hat das Geld nicht gereicht. Und so war die Verlockung groß, die dringendsten finanziellen Löcher mit der geklauten Kohle zu stopfen, die ihm sein Bruder zur Aufbewahrung übergeben hat. Heute wollte er eigentlich mit Familie einen gemütlichen Abend zu Hause verbringen, chillen. Aber heute, erfährt er überraschend, ist es soweit: Mirko soll vorzeitig aus dem Knast freikommen. Und wie soll er nun von jetzt auf gleich an Geld kommen? Vorschuss bekommt er bei Arbeit jedenfalls keinen. Und Ayse soll von der Geschichte sowieso nichts erfahren, das sei eine Geschichte zwischen Kai und Mirko. Die Zeit läuft ihm weg und was das Geld betrifft, so wird Mirko auch seinem Bruder gegenüber keinen Spaß verstehen. Eine Idee muss her, ein Plan und vor allem das Geld. Doch Kai ahnt nicht, dass das vielleicht noch nicht einmal das größte Problem sein würde, mit dem er konfrontiert sein würde…

Damian John Harper, der bei FRISCH Regie führte, hat eine recht erstaunliche Quereinsteigerkarriere hinter sich. Harper wurde 1978 in Boulder, Colorado geboren, studierte Anthropologie und arbeitete schließlich als Ethnologe im Süden Mexikos, eine berufliche Laufbahn die vielleicht maximal einen Dokumentarfilmemacher erwarten ließe, nicht jedoch einen Genrefilmregisseur. Seine nächste berufliche Station war die eines Höhlentauchlehrers in Brasilien, bevor er dann, endlich einerseits in Deutschland und andererseits beim Film landete, und zwar bei einem Regiestudium an der HFF in München. Sein Langfilmdebüt hieß LOS ÁNGELES, den er 2012, aha, in dem Dorf in Mexiko drehte, in dem er als Ethnologe gelebt und gearbeitet hatte – nichts ist umsonst im Leben. Der Film erlebte seine Weltpremiere im Forum der Berlinale und wurde mit diversen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem First Steps Award. Sein zweiter Film, IN THE MIDDLE OF THE RIVER, spielte schließlich in den USA, es war das Familiendrama um einen Irak-Kriegsveteranen. Der Film lief beim Filmfest München und erhielt dort den Preis für das Beste Drehbuch. Im Jahr 2024 startete seine Jugendbuchverfilmung WOODWALKERS in den Kinos, nach dem Roman von Katja Brandis.
Mit FRISCH steigt Harper noch mehr ins Gebiet des Genrefilms ein, indem er ein Familiendrama mit Elementen des Kriminalfilms aber auch des Western verbindet. Insbesondere Louis Hofmann als Kai gelingt es, der Story des Films Tiefe zu verleihen und den Zuschauer mit in die Geschichte hineinzuziehen. Die düsteren Bilder, die Leonhard Kairat einfängt, verleihen dem Film einiges an Atmosphäre, das passt unglaublich gut zur Genrewelt von FRISCH.
Damian John Harper gelingt ein mutiges Genreexperiment – sowieso gehöre ich nicht zu denen, die sich allzu sehr über den deutschen Genrefilm beschweren, da gibt es, finde ich, durchaus eine Menge gelungene Exemplare, und immer dann, wenn auch Attribute wie „mutig“ verknüpft werden können, muss man wirklich dankbar sein, denn „brave“ und „erwartbare“ Genrefilme sind schlicht und einfach zum Scheitern verurteilt. Ich zögere daher etwas, zwei Dinge anzusprechen, um den Leser nicht in die falsche Richtung zu lenken, dennoch: Mich hat einerseits etwas gestört, dass der Film allzu sehr in den Zeitebenen springt und mich hat gestört, dass der Film etwas zu sehr zwischen realistischem Drama und Genreverfremdung springt. Trotzdem: Bitte geht ab 3. Juli 2025 ins Kino und schaut euch Damian John Harpers Film FRISCH an!

Innerer Monolog: Ralf Richter
Kai: Louis Hofmann
Mirko: Franz Pätzold
Onkel Andy: Sascha Geršak
Ayse: Canan Kir
Ela: Pinar Erincin
Bodgan: Božidar Kocevski
Selo: Zejhun Demirov
uvm.
Drehbuch & Regie: Damian John Harper
Romanvorlage „Fresh“ von Mark McNay
Kamera: Leonhard Kairat
Schnitt: Lorna Hoefler-Steffen
Ton/Sounddesign: Jonathan Schorr
Musik: Emma Elisabeth Harper
Szenenbild: Sylvester Koziolek
Kostümbild: Katja E. Waffenschmied
Maskenbild: Skadi Lesske, Benjamin Wendl
Casting: Suse Marquardt, Maren Friedrich
Kindercasting: Babet Mader
Produzenten: Jakob D. Weydemann, Jonas Weydemann, Milena Klemke,
Yvonne McWellie (Weydemann Bros.)
Koproduktion ZDF – Das kleine Fernsehspiel
Redakteur: Claudia Tronnier, Jakob Zimmermann