Astronom*innen nehmen das detaillierteste Tausend-Farben-Bild einer Galaxie auf

This image shows a detailed, thousand-colour image of the Sculptor Galaxy captured with the MUSE instrument at ESO’s Very Large Telescope (VLT). Regions of pink light are spread throughout this whole galactic snapshot, which come from ionised hydrogen in star-forming regions. These areas have been overlaid on a map of already formed stars in Sculptor to create the mix of pinks and blues seen here.

PRESSEMELDUNG des ESO

Astronom*innen haben ein Galaxien-Meisterwerk geschaffen: ein ultra-detailliertes Bild, das bisher unbekannte Merkmale der Sculptor-Galaxie sichtbar macht. Mit dem Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) beobachteten sie diese nahegelegene Galaxie simultan in Tausenden von Farben. Über die Erfassung riesiger Datenmengen an jedem einzelnen Punkt schufen sie eine galaxienweite Momentaufnahme des Lebens der Sterne innerhalb der Sculptor-Galaxie.

Galaxien sind unglaublich komplexe Systeme, die wir nach wie vor nicht vollständig verstehen“, erklärt ESO-Wissenschaftler Enrico Congiu, der eine neue Studie zur Sculptor-Galaxie geleitet hat, die jetzt in der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics erscheint. Mit einer Ausdehnung von Hunderttausenden von Lichtjahren sind Galaxien extrem groß, aber ihre Entwicklung hängt davon ab, was auf viel kleineren Skalen geschieht. „Die Sculptor-Galaxie ist für so eine Studie ideal“, meint Congiu. „Sie ist nah genug, dass wir ihre innere Struktur auflösen und ihre Bausteine mit unglaublicher Detailgenauigkeit untersuchen können, aber gleichzeitig auch groß genug, dass wir sie noch als Ganzes betrachten können.“

Die Bausteine einer Galaxie – Sterne, Gas und Staub – strahlen Licht bei verschiedenen Farben aus. Je mehr Farbtöne also in einem Bild einer Galaxie zu sehen sind, desto mehr können wir über ihr Innenleben erfahren. Während herkömmliche Bilder nur eine Handvoll Farben enthalten, umfasst diese neue Karte der Sculptor-Galaxie Tausende. Damit erfahren Astronom*innen alles, was sie über die Sterne, das Gas und den Staub in der Galaxie wissen müssen, beispielsweise ihr Alter, ihre Zusammensetzung und ihre Bewegung.

Die Sculptor-Galaxie ist 11 Millionen Lichtjahre entfernt ist und auch unter der Bezeichnung NGC 253 bekannt. Um diese Karte der Galaxie zu erstellen, beobachteten die Forscher*innen sie über 50 Stunden lang mit dem Multi Unit Spectroscopic Explorer (MUSE) am VLT der ESO. Das Team musste über 100 Aufnahmen zusammenfügen, um einen Teil der Galaxie mit einem Durchmesser von etwa 65.000 Lichtjahren abzudecken.

Laut Ko-Autorin Kathryn Kreckel von der Universität Heidelberg macht das die Karte zu einem leistungsstarken Werkzeug: „Wir können heranzoomen, um einzelne Regionen, in denen Sterne entstehen, fast im Maßstab einzelner Sterne zu untersuchen, aber wir können auch herauszoomen, um die Galaxie als Ganzes zu betrachten.“

Bei ihrer ersten Analyse der Daten entdeckte das Team in der Sculptor-Galaxie rund 500 Planetarische Nebel, Regionen aus Gas und Staub, die von sterbenden sonnenähnlichen Sternen abgestoßen wurden. Ko-Autor Fabian Scheuermann, Doktorand an der Universität Heidelberg, ordnet diese Zahl ein: „Außerhalb unserer galaktischen Nachbarschaft haben wir es normalerweise mit weniger als 100 Nachweisen pro Galaxie zu tun.“

Aufgrund ihrer Eigenschaften können Planetarische Nebel als Entfernungsmarker zu ihren Muttergalaxien dienen. „Der Nachweis der Planetarischen Nebel ermöglicht es uns, die Entfernung zur Galaxie zu überprüfen – eine wichtige Information, von der alle weiteren Untersuchungen der Galaxie abhängen“, erläutert Adam Leroy, Professor an der Ohio State University in den USA, ein weiterer Ko-Autor der Studie.

Zukünftige Projekte, die die Karte nutzen, werden untersuchen, wie Gas strömt, seine Zusammensetzung verändert und Sterne in dieser Galaxie bildet. „Wie so kleine Prozesse einen so großen Einfluss auf eine Galaxie haben können, die tausendmal größer ist, ist noch ein Rätsel“, schließt Congiu.

Weitere Informationen

Die hier vorgestellten Forschungsergebnisse erscheinen demnächst in der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics.

Die beteiligten Wissenschaftler*innen sind  E. Congiu (Europäische Südsternwarte, Chile [ESO Chile]), F. Scheuermann (Astronomisches Rechen-Institut, Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg [ARI-ZAH]), K. Kreckel (ARI-ZAH), A. Leroy (Department of Astronomy and Center for Cosmology and Astroparticle Physics, The Ohio State University [OSU], USA), E. Emsellem (Europäische Südsternwarte, Deutschland [ESO Garching] und Univ. Lyon, Univ. Lyon1, ENS de Lyon, CNRS, Centre de Recherche Astrophysique de Lyon, Frankreich), F. Belfiore (INAF – Osservatorio Astrofisico di Arcetri, Italien), J. Hartke (Finnish Centre for Astronomy with ESO [FINCA] und Tuorla Observatory, Department of Physics and Astronomy [Tuorla], University of Turku, Finland), G. Anand (Space Telescope Science Institute, USA), O. V. Egorov (ARI-ZAH), B. Groves (International Centre for Radio Astronomy Research, University of Western Australia), T. Kravtsov (Tuorla und FINCA), D. Thilker (Department of Physics and Astronomy, The Johns Hopkins University, USA), C. Tovo (Dipartimento di Fisica e Astronomia ‘G. Galilei’, Universit‘a di Padova, Italien), F. Bigiel (Argelander-Institut für Astronomie, Universität Bonn), G. A. Blanc (Observatories of the Carnegie Institution for Science, USA, und Departamento de Astronomía, Universidad de Chile), A. D. Bolatto und S. A. Cronin (Department of Astronomy, University of Maryland, USA), D. A. Dale (Department of Physics and Astronomy, University of Wyoming, USA), R. McClain (OSU), J. E. Méndez-Delgado (Instituto de Astronomía, Universidad Nacional Autónoma de México), E. K. Oakes (Department of Physics, University of Connecticut, USA), R. S. Klessen (Universität Heidelberg, Zentrum für Astronomie, Institut für Theoretische Astrophysik und Interdisziplinäres Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen, Center for Astrophysics Harvard & Smithsonian, USA, und Elizabeth S. and Richard M. Cashin Fellow at the Radcliffe Institute for Advanced Studies at Harvard University, USA) E. Schinnerer (Max-Planck-Institut für Astronomie), T. G. Williams (Sub-department of Astrophysics, Department of Physics, University of Oxford, UK).

Die Europäische Südsternwarte (ESO) befähigt Wissenschaftler*innen weltweit, die Geheimnisse des Universums zum Nutzen aller zu entdecken. Wir entwerfen, bauen und betreiben Observatorien von Weltrang, die Astronominnen und Astronomen nutzen, um spannende Fragen zu beantworten und die Faszination der Astronomie zu wecken, und wir fördern die internationale Zusammenarbeit in der Astronomie. Die ESO wurde 1962 als zwischenstaatliche Organisation gegründet und wird heute von 16 Mitgliedstaaten (Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Finnland, Irland, Italien, den Niederlanden, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, der Schweiz, Spanien, der Tschechischen Republik und dem Vereinigten Königreich) sowie dem Gastland Chile und Australien als strategischem Partner unterstützt. Der Hauptsitz der ESO und ihr Besucherzentrum und Planetarium, die ESO Supernova, befinden sich in der Nähe von München in Deutschland, während die chilenische Atacama-Wüste, ein wunderbarer Ort mit einzigartigen Bedingungen für die Himmelsbeobachtung, unsere Teleskope beherbergt. Die ESO betreibt drei Beobachtungsstandorte: La Silla, Paranal und Chajnantor. Am Standort Paranal betreibt die ESO das Very Large Telescope und das dazugehörige Very Large Telescope Interferometer sowie Durchmusterungsteleskope wie z. B. VISTA. Ebenfalls am Paranal wird die ESO das Cherenkov Telescope Array South betreiben, das größte und empfindlichste Gammastrahlen-Observatorium der Welt. Zusammen mit internationalen Partnern betreibt die ESO auf Chajnantor APEX und ALMA, zwei Einrichtungen zur Beobachtung des Himmels im Millimeter- und Submillimeterbereich. Auf dem Cerro Armazones in der Nähe von Paranal bauen wir „das größte Auge der Welt am Himmel“ – das Extremely Large Telescope der ESO. Von unseren Büros in Santiago, Chile, aus unterstützen wir unsere Aktivitäten im Land und arbeiten mit chilenischen Partnern und der Gesellschaft zusammen.

Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsländern (und einigen weiteren Staaten) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie in Heidelberg.

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