OZEAN mit David Attenborough ab 8. Mai 2025 in den Kinos

In einer früheren beruflichen Phase meines Lebens hatte ich ganz viel mit IMAX-Dokumentationen zu tun, damals, als ich in Berlin erst für das Discovery Channel IMAX Theater am Potsdamer Platz, dann für das Cinestar IMAX im Sony Center und schließlich bundesweit für die Firma IMAX PR gemacht habe. Ich habe insbesondere die Arbeit für die Naturdokus geliebt: GRAND CANYON, HAIE 3D, DER BLAUE NIL, DELFINE UND WALE 3D, SHACKLETON, SPACE STATION, DIE GEISTER DER TITANIC. Was habe ich es geliebt, Kooperationen mit dem Zoo, mit dem Planetarium etc. auszuarbeiten, Special Interest-Zeitschriften auszugraben, die sich mit Bergen, Tieren, Weltraum oder dem Meer beschäftigten. Die IMAX-Dokus, ob in 3D auf der flachen, aber riesigen Leinwand, oder 2D in der Kuppelprojektion im Discovery Channel IMAX Theater, jene wohl größte Leinwand Deutschlands (Europas?) – damals, bevor erst das eine, dann das andere IMAX schloss. Immer spielte auch Musik eine wichtige Rolle, entweder in Form von symphonischen Klangteppichen oder mit regionalen Anklängen, je nachdem in welchem Land die entsprechende Dokumentation spielte. Das waren spektakuläre Filme, bisweilen etwas klischeebeladen, selten kinematographisch wertvoll – aber immer beeindruckend und spannend.

Am 8. Mai 2025 startet nun in den deutschen Kinos die Dokumentation OZEAN mit David Attenborough, bei dem sowohl Titel als auch Artwork mich sofort an jene wunderschöne alte Zeit der IMAX-Dokumentationen erinnern. David Attenborough feiert an eben jenem 8. Mai 2025 seinen 99. Geburtstag, wie großartig, dass er in diesem Alter noch kreativ tätig ist mit der soundsovielten Tier- und Naturdokumentation, an der er beteiligt war, nicht als Regisseur, aber dennoch hat er maßgeblich seine Finger in dem Projekt. Als Regisseure fungierten drei (!) Männer: Toby Nowlan, Keith Scholey, Colin Butfield. Alle drei sind sehr erfahrene Naturfilmer, zu ihren Arbeiten gehören Filme mit Titeln wie UNSER PLANET, IM REICH DER RAUBKATZEN, DANCING WITH THE BIRDS, PLANET INDIA. OZEAN ist kein IMAX-Film, diese Art von Dokus werden nicht mehr gedreht, IMAX findet nur noch für Spielfilme statt. Wer noch IMAX-Dokus in IMAX-Kinos sehen möchte, muss in die Verkehrs- und Technikmuseen nach Sinsheim und Speyer reisen, dort sind noch Filme wie WILD AMERICA, WUNDER DER TIEFE, HUBBLE 3D und ANTARCTICA im Programm.

A pod of Indo-Pacific bottlenose dolphins swimming across the coral reefs of the Red Sea, Egypt. (Credit: Olly Scholey)

OZEAN ist vielleicht so etwas wie ein Geschenk des 99-Jährigen an sich selbst, so etwas wie ein Lebenswerk: „Nachdem ich nun fast 100 Jahre auf diesem Planeten lebe“, berichtet der erstaunlich fit wirkende Attenborough, „verstehe ich nun, dass der wichtigste Ort auf der Erde nicht an Land, sondern im Wasser ist. Über den Lauf meines Lebens gingen wir auf eine Reise der Meereserkundung. Erst jetzt verstehen wir, was das Meer für die Zukunft der Welt bedeutet. Was wir entdeckt haben, könnte alles verändern.“ Und sofort, bereits im Trailer, den ich mir vorab angeschaut habe, bin ich hineingezogen in diese Welt der Naturdokumentationen, die immer von zwei Dingen geprägt waren: Von der Sorge um die Zukunft der Natur, von der Sorge um das Aussterben von Lebensräumen und Tier- und Pflanzenarten – gleichzeitig aber auch von einem unbändigen Optimismus und einer ungebremsten Hoffnung darauf, dass wir das dennoch retten können, wenn wir nur unseren Kindern zeigen, wie schön, wie wertvoll, wie beeindrucken diese Natur ist.

Und schon mit den ersten Bildern, den ersten Sätzen, die man sieht und hört, ist alles verschwunden, was mit Trump, Putin, AfD etc. zu tun hat – und das ohne allzuviel Eskapimus. Naja, ein bisschen Eskapismus schon. Die Welt dieser Art von Dokumentationen ist angefüllt von Wörtern wie „Wunder“, „Überraschungen“, „Hoffnung“, „Erforschung“. Mich berührt dieser Optimismus, mich lässt das wirklich für kurze Zeit Hass, Krieg, Gewalt, Empathielosigkeit etc. vergessen. Wer immer auf der Welt Attenboroughs Neugierde, seinen Forscherdrang verinnerlicht hat, der zettelt keine Kriege an. Für den gibt es keine Welt der Grenzen, Abgrenzungen, Feindschaften, Intoleranzen.

Wir sehen Drohnenaufnahmen von Meeren, alle Arten von Tieren, die in und an und über den Meeren leben, einschließlich uns, Homo Sapiens. Pinguinkolonien auf Eisbergen, ein erstes Medley der Meereswelt, bevor Attenborough zu uns spricht: „Es ist jetzt an der Zeit, den Sprung zu wagen und unter die Wellen zu tauchen. Wer das Meer wahrhaftig sah, wird die Welt nie wieder mit den gleichen Augen betrachten.“ Und das ist pathetisch aber wahrscheinlich wahr. Wir werfen einen Blick zurück in die frühen Jahre des Tierfilmers, die Meeresaufnahmen früher Attenborough-Filme – spektakuläre Bilder, aufregende Tauchfahrten. „Das offene Meer gehört wirklich uns allen“, stellt er fest – und ermahnt die Menschheit damit gleichzeitig, von der Ausbeutung der Meere abzusehen.

Wir tauchen in die Tiefsee, begleiten Wale und Delfine, schwimmen mit Fischschwärmen auf der Jagd, ziehen mit diversen Meeresbewohner auf deren Suche nach Fressen umher. Wir schwimmen durch die Kelpwälder der flachen Küstengewässer, begegnen der Gemeinschaft der Tiere, die darin lebt; mystische Bilder, die an lichte Wälder auf dem Land erinnern, durch die das Sonnenlicht hereinfällt, eine Welt in wunderbaren Farben – und „eine Welt in einem empfindlichen Gleichgewicht“, berichtet Attenborough, „ein Regenwald voller Wunder“ – hier fällt das Wort, das erste mal. Wir begegnen den Geheimnissen der Korallenriffe, wir lernen von den Zusammenhängen des Lebens in dieser Riffwelt – und von der Bedeutung des Phytoplanktons für das Gleichgewicht der Natur, es sind „unsere größten Verbündeten im Kampf gegen Klimakatastrophen“.

Und dann werden wir Zeugen atemberaubender Zerstörungen der Schleppnetzfischerei. Die Kamera ist am Netz befestigt, wir bewegen uns mit den Netzen über den leblosen, zerstörten Ozeanboden. Das sind bedrückende Bilder. Sogar aus dem Weltall kann man diese Spuren der Zerstörung sehen. Es ist der pessimistischere, verstörende Teil dieses Films, vor allem weil wir mit der Kamera dabei sind, wenn diese Zerstörung geschieht. Es folgt: die massenweise Tötung der großen Jäger der Meere, der Haie etwa. Von der Fischerei vor den Küsten für den Eigenbedarf der Küstenbewohner sind wir zur Fischerei quasi überall übergegangen – und das innerhalb weniger Jahrzehnte. Und die leidtragenden unter den Menschen sind zuallererst jene Küstenbewohner, die für ihren Eigenbedarf nicht mehr genügend Fische aus den überfischten Meeren herausholen können. Die Nahrungsquellen werden ihnen durch die industrielle Fischerei wohlhabender Nationen genommen. „Das ist moderner Kolonialismus auf dem Meer“, sagt Attenborough. „Wir saugen dem Meer das Leben aus“, ist seine bittere Zusammenfassung dessen, was mit unseren Ozeanen geschieht. „Und jetzt läuft uns die Zeit ab.“

Aber Attenborough – und die Filmemacher verstehen ihr Genre gut genug: Sie wissen, dass sie den Zuschauer nicht mit solch bedrückenden Bildern zurücklassen können, sie müssen auch Erfolgsgeschichten erzählen, die Hoffnung machen, Geschichten, die von der Rettung und von der Rückkehr der Vielfalt des Lebens im Meer berichten.

Sir David Attenborough looks out to sea in Southern England. OCEAN WITH DAVID ATTENBOROUGH highlights the vital, achievable actions the world can take to restore the ocean and stabilize the climate, debuting in 2025. (Photo by Conor McDonnell)

„Mein Leben fiel mit dem großen Zeitalter der Meeresforschung zusammen“ erzählt Attenborough über seine Arbeit für diesen Film. „In den letzten hundert Jahren haben Wissenschaftler und Entdecker bemerkenswerte neue Arten, epische Wanderungen und atemberaubend komplexe Ökosysteme enthüllt – weit über das hinaus, was ich mir als junger Mann hätte vorstellen können. In diesem Film teilen wir einige dieser wundervollen Entdeckungen, beleuchten, warum unsere Ozeane in einem so schlechten Zustand sind, und – vielleicht am wichtigsten – zeigen, wie sie wieder gesund werden können. Dies könnte der Wendepunkt sein. Fast jedes Land der Erde hat sich – zumindest auf dem Papier – gerade verpflichtet, mindestens ein Drittel der Ozeane zu schützen. Nun stehen wir gemeinsam vor der Herausforderung, diese Verpflichtung in die Tat umzusetzen.“ 

A pair of Laysan albatross in Midway Atoll. (Credit: Silverback Films and Open Planet Studios/Toby Nowlan)

David Attenborough, der jüngere Bruder des 2014 gestorbenen Schauspielers Richard Attenborough (GESPRENGTE KETTEN, DER FLUG DES PHOENIX, JURASSIC PARK) ist 1926 in London geboren, sammelte als Kind schon Steine und Fossilien, nach seinem Dienst bei der Marine geriet er zum Fernsehen, konkret zur BBC und dort zu Kindersendungen und naturwissenschaftlichen Programmen. Bei seiner Arbeit für das Management der BBC war er auch der Auftraggeber für Monty Python’s Flying Circus, in der Tat einer der großen Komödienschätze meiner Kindheit und Jugend. Er drehte selbst als Regisseur unzählige Natur- und Tierdokus fürs Fernsehen, etwa Das geheime Leben der Pflanzen (The Private Life of Plants)Life in the FreezerDas Leben der Vögel (The Life of Birds)The Blue Planet oder Das Leben der Säugetiere (The Life of Mammals).

OZEAN MIT DAVID ATTENBOROUGH ist wie zu erwarten ein Dokumentarfilm mit beeindruckenden Bildern, die man zum Teil auch so noch nicht gesehen hat. Natürlich ist da ein Musikteppich quasi von vorne bis hinten, alles andere hätte mich auch überrascht. Aber das Wichtigste für mich war: Ich hatte von vorneherein ein wohliges Gefühl bei diesem Film. Ich bin zurück in der Welt der Naturdokumentationen – in einer Filmwelt, in der es um die Sorgen vor der Zerstörung und die Hoffnung auf die Bewahrung geht. Attenborough und seinen drei Regisseuren gelingt ein wunderbarer Film, der das Lebenswerk des Naturfilmers zusammenfasst.

Die Weltpremiere von OZEAN findet am Dienstag, 6. Mai, in der Royal Festival Hall des Southbank Centre in London statt, noch vor dem Weltozeantag, der UN-Ozeankonferenz 2025 im Juni in Nizza, Frankreich, und während der UN-Dekade der Meeresforschung für nachhaltige Entwicklung (2021–2030) statt. Produziert wurde OZEAN MIT DAVID ATTENBOROUGH von Nowlan. Zudem wurde der Film in Kooperation mit Arksen & 10% for the Ocean, der Don Quixote Foundation, der National Geographic Society und Pristine Seas, Revive Our Ocean sowie der Prince Albert II of Monaco Foundation realisiert, der Film ist eine Koproduktion von Silverback Films und Open Planet Studios in Zusammenarbeit mit All3Media International, National Geographic und Minderoo Pictures. Am 8. Mai startet der Film in den deutschen Kinos.

Tuna in Revillagigedo Islands, Mexico. (Credit: Erick Higuera)

https://intl.oceanfilm.net

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert