WE LIVE HERE von Zhanana Kurmasheva auf dem DOK.fest München

Kasachstan, in 30 Kilometern Entfernung vom Rand des ehemaligen Semipalatinsk-Atomtestgeländes. Pferde streifen durch die karge Landschaft. Ein Bauer hat ein Paar Kühe. Ein sehr ärmliche Gegend. „Frieden für die Welt“ ist auf russisch mit Backsteinen in die Wand eines Gebäudes eingeschrieben. Die Menschen unterschreiben eine Petition, es geht wohl um die Auswirkungen des Atomtestgeländes auf die Gesundheit der Menschen. Ein Mann berichtet, wie er als Kind die Atomversuche miterlebt hatte. Über die schädlichen Auswirkungen hatte damals niemand gesprochen. Warum musste das gerade in ihrer Gegend geschehen? 1991 waren die Tests in der Gegend gestoppt worden. Es wurde begonnen, die radioaktive Kontamination und die Auswirkungen der Tests auf die Umwelt und auf die Natur zu untersuchen. Wie geht es den Menschen? Welche Zusammenhänge zwischen Krebsfällen und den Tests gibt es? Es gab aber damals auch Unfälle, als Menschen von Backsteinen erschlagen wurden, die sich lösten, als die Versuche durchgeführt wurden. Es gibt ein Museum, das sich mit den Auswirkungen der Atombomben und der Atombombenversuche auseinandersetzt. Schüler und Schülerinnen werden durch die Ausstellung geführt, der Museumsleiter erklärt geduldig die Exponate. Wird irgendjemand überleben, wenn alle Atombomben gezündet werden, fragt ein Junge. 90% der Menschheit würden nicht überleben, erklärt der Museumsleiter nüchtern. So groß wie Belgien sei das kasachische Testgelände gewesen, Menschen seien Opfer geworden, erklärt er den Kindern. Das Problem sei, dass es keine Zäune und Warnschilder gebe, dass dort Vieh grast. Ein Mann schreibt ein Buch darüber, wie er seine Kindheit in der Gegend erlebt hat. Es ist bedrückend, von den Schicksalen der Menschen zu hören, von ihren Krankheiten. Diese Geschichten sammelt er für das Buch. Sein erwachsener Sohn versucht verzweifelt, Anerkennung dafür zu finden, dass die Krebserkrankung seiner Tochter als Folge der Tests anerkannt wird.

Die kasachische Dokumentarfilmerin Zhanana Kurmasheva ist Mitbegründerin der Kollektive KazDok, einer Verbindung kasachischer Dokumentarregisseur*innen. WE LIVE HERE ist ihr erster Langfilm und eine berührende, persönliche Dokumentation von den Menschen, die in der Nähe des Atomtestgebiets in Kasachstan aufgewachsen sind. Es sind Menschen, die keine Lobby haben, die in einer ärmlichen, abgehängten Gegend leben und dennoch gibt es starke Kämpfer für ihre Sache unter ihnen, die nicht locker lassen, nachfragen, informieren, messen, untersuchen.

Zhanana Kurmasheva gelingt ein still und langsam erzählter Film über diese Menschen, mit wundervollen, beeindruckenden Bildern.

Das DOK.fest München zeigt den Film in vier Vorstellungen ab dem 8. Mai 2025.
https://www.dokfest-muenchen.de/films/we-live-here

Filmographie von Zhanana Kurmasheva

I’M HERE, KZ 2021 (Dokumentarserie, sechs Folgen)
QAZAGYM, KZ 2020 (Dokumentarserie, drei Folgen)
I AM TWENTY YEARS OLD!, KZ 2011 (Dokumentarserie, fünf Folgen)

Nominiert für die DOK.horizonte Competition – Cinema of Urgency

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