
Wo ist Hollywood, wenn es um Proteste gegen das Trump-Regime geht? Ich höre fast nichts. Immerhin kommt nun ein Dokumentarfilm, THE LAST REPUBLICAN, der den republikanischen Abgeordneten Adam Kinzinger aus Illinois begleitet. Kinzinger war schon als Kind Anhänger von Ronald Reagan, er war später in Afghanistan und Irak. Nach dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 stimmte er als Republikaner für die Amtsenthebung von Trump. Er war Mitglied im Untersuchungsausschuss.
Bevor ich näher auf den Film und auf den Protagonisten der Dokumentation eingehe ist es nun nämlich interessant, zu erfahren, wer der Macher dieses Dokumentarfilms ist, nämlich Steve Pink. Pink, Jahrgang 1966, auch er stammt aus Illinois, machte einen Abschluss in Friedens- und Konfliktstudien in Berkeley. Über Umwege geriet er in die Filmbranche und produzierte und schrieb im Jahr 1997 den Spielfilm GROSSE POINTE BLANK, eine schwarze Komödie mit John Cusack, Minnie Driver, Alan Arkin und Dan Akroyd, Regisseur war George Armitage. Im Jahr 2000 war er wiederum Produzent und Autor der Nick Hornby-Verfilmung HIGH FIDELITY, manche erinnern sich, wiederum mit John Cusack, Regie führte Stephen Frears. Sein Regidebüt absolvierte Pink mit dem Film ACCEPTED im Jahr 2006, wiederum eine Komödie, mit Justin Long und Blake Lively. In Deutschland trug der Film den Titel „S.H.I.T. – Die Highschool GmbH“. Wie das eben so ist mit diesen Filmtiteln. Es folgten drei weitere Komödien, HOT TUB TIME MACHINE Teil 1 und Teil 2, ABOUT LAST NIGHT und zuletzt 2021 die Romanze, das Drama THE WHEEL. Bis auf den letzten Film hat sich Pink also einen Namen als Komödienspezialist gemacht, eher die schrillen Komödien – der Hot Tub Teil 1 hieß übrigens auf Deutsch: „Hot Tub – Der Whirlpool … ist ’ne verdammte Zeitmaschine!“, ich glaub ich habe keines dieser Werke gesehen. Umso erstaunlicher, dass Steve Pink mit seinem Dokumentarfilm THE LAST REPUBLICAN ins Politische umsteigt.
Zurück also zu Adam Kinzinger. Nachdem er für Trumps Amtsenthebung gestimmt hat, erhielt er bald Todesdrohungen, musste unter Polizeischutz leben und er verlor einen nennenswerten Teil seines Freundeskreises. Ein Jahr lang, in seinem letzten Jahr als Abgeordneter, begleitete Pink ihn – und der ist offensichtlich kein Republikaner, eher ein progressiver Linker. Der Film beginnt damit, dass Kinzingers Abgeordnetenbüro ausgeräumt wird, das Büroschild wird abgeschraubt, die Möbel zusammengeräumt, denn, natürlich ist solch ein Verhalten gleichbedeutend mit dem Ende seiner politischen Karriere bei den Republikanern. Und zu diesem Zeitpunkt fragt Kinzinger den Regisseur seiner Doku: Sag mal, Steve, unter normalen Umständen hättest du doch eher gegen mich demonstriert, statt nun sogar einen Dokumentarfilm über mich zu machen? Und recht hat er. Und wir springen zurück in der Zeit, als Kinzinger ein konservativer, erfolgreiche Republikaner war, der mit großem Zuspruch ins Amt gewählt wurde, der von allen republikanischen Seiten her gelobt wurde, auch von Donald Trump: „He is doing a great job. He is doing a great job, thank you, Adam. Very much appreciated. Handsome guy“, lautet die wie üblich skurrile Belobigung durch Trump. Doch als Trump beginnt, zu behaupten, die Wahl wäre ihm gestohlen worden, beginnt er sich gegen ihn zu stellen und sagt, man solle sich auf den nächsten Wahlkampf einstellen und nicht mit einer Lüge fortfahren. Und dann setzte er sich für das Impeachment gegen den Präsidenten ein. „I think it’s not about a political view“, sagt Kinzinger im Interview mit Steve Pink. „It’s about what it is to turn against everything you ever belonged to. Because of some red line you can’t cross.“ Und bereits in diesem kurzen Interviewausschnitt erkennt man, wie die beiden Lager miteinander umgehen hätten können, mit Respekt, durchaus mit Humor, mit Verständnis füreinander. Von der Möglichkeit, diese Spaltung, diese Hürden zu überwinden, ist man heute Lichtjahre entfernt.
Auch Pink stellt Kinzinger eine Gegenfrage: Warum sagte Kinzinger ausgerechnet ihm zu, eine Dokumentation über sich drehen zu lassen? Seine Antwort: Er mochte HOT TUB TIME MACHINE. Und damit beginnt der Blick zurück an den Beginn der Dreharbeiten. Von Tag zu Tag wird Kinzinger isolierter in seiner Partei, bis er schließlich als einer von wenigen Republikaner für das Impeachment stimmt, und von Nancy Pelosi in den Ausschuss berufen wird – gegen seinen Wunsch, eigentlich sagt er, wollte er das nicht. Und Nancy Pelosi benennt ihn, raffiniert wie sie ist, bevor sie ihn überhaupt angerufen und gefragt hat. „Nicht ich habe mich geändert“, sagt er irgendwann, „es war die republikanische Partei, die sich geändert hat.“
Und dann geht es um die Verbrechen des 6. Januar 2021, als das Kapitol gestürmt wird, der vielleicht emotionalste Teil des Films. Kinzinger kommen die Tränen im Untersuchungsausschuss, Hass und Häme wird danach über ihn ausgeschüttet. Ein Schauspieler sei er. Und das ist erst der Anfang einer Hasskampagne – und das Dramatische ist, dass diese auch aus seinem näheren Umfeld unterstützt wurde. Steve Pink ist bei den Dreharbeiten zu THE LAST REPUBLICAN nichts weniger als Zeuge des Niedergangs der US-amerikanischen Demokratie. Und er ist Zeuge des Aufstiegs eines Regimes von Hass, Gewalt und Lügen. Und das war erst der Anfang.
Deutsche Premiere
Kamera: Josh Salzman. Schnitt: Ted Feldman. Musik: Logan Nelson. Produktion: abcd. Produzent*in: Jason Kohn, Chapin Wilson, Kevin Morris, Steve Pink, Sarafina DiFeli.