MONSIEUR AZNAVOUR ab 22.5.2025 im Kino

MONSIEUR AZNAVOUR: Charles Aznavour (Tahar Rahim) begeistert das Publikum mit seiner außergewöhnlichen Stimme. (© Antoine Agoudjian) —

Charles Aznavour. Ich weiß gar nicht, ob junge Menschen heute noch wissen, wer das war. Daher ein Kurzabriss seiner Bio: Geboren ist er am 22. Mai 1924 in Paris, er war ein französisch-armenischer Chansonnier, ich möchte mal einen Blick in die Spotify-Abspielliste werfen: La bohème 146 Millionen Mal abgespielt, Hier encore 119 Millionen Mal, Emmenez-moi 112 Millionen Mal, könnte also vielleicht auch jungen Leuten noch bekannt sein. In 70 Filmen hat er wohl als Schauspieler mitgespielt, die bekanntesten sind vielleicht Truffauts „Schießen Sie auf den Pianisten“ und Volker Schlöndorffs „Die Blechtrommel“, der Günter Grass-Verfilmung, in der er Sigismund Markus spielt, der jüdische Spielwarenhändler und Blechtrommellieferant für Oskar Matzerath. Mir ist noch Claude Chabrols „Die Fantome des Hutmachers“ in guter Erinnerung. Fun Fact: Es gibt eine Muppet-Show-Episode in der er zu sehen ist, bitte unbedingt bei Youtube nachsehen. Erstaunlich gutes Englisch spricht er da: „Mademoiselle Piggy, would you come here?“ Gestorben ist er im Jahr 2018.

Der Film beginnt in Lyon im Jahr 1960, Charles ist in einer verzweifelten Situation, telefoniert mit seiner Schwester, will vielleicht alles hinschmeißen. Aber Blick zurück in Charles‘ Kindheit. Das Gefühl für die melancholische Musik hat er schon von seinen Eltern mitbekommen. Sein Vater war aus Georgien nach Frankreich ausgewandert, seine Mutter vor dem türkischen Völkermord an den Armeniern geflohen. Nach dem Krieg wurde die Familie in Frankreich eingebürgert, ursprünglich hießen sie Aznavourian, aber weil sich, so der Film, darauf nichts reimt, sollen sie sich auf Aznavour beschränkt haben, was sich dann auf „on y court“ reimt, soviel wie „man geht dorthin“, denn die Aznavours eröffneten ein Restaurant, und dafür musste geeignete Werbung gemacht werden, und der Werbespruch musste sich eben reimen. Ein kurzes, erfolgloses Geschäft, also müssen sie in einer schäbigen Absteige unterkommen. Seine erste Rolle im Theater als Kind kann er, weil er vorlaut ist und einen afrikanischen Dialekt imitieren kann. Ein früher Erfolg, der auch noch zur Besatzungszeit anhält, aber weil er kein Schönling ist und weil er eine kratzige Stimme hat, darf er nie seine eigenen Lieder singen und erst recht keine Liebeslieder. Und dann überholt ihn seine Schwester bald, die überall als „Aida Aznamour“ plakatiert wird. Neben der musikalischen Karriere der Kinder die langsam Fahrt aufnimmt, verstecken die Aznavours auch Deserteure in ihrer Wohnung.

Bald entdeckt Charles sein Naturtalent als Texter seiner eigenen Lieder, gemeinsam mit seinem Freund Pierre Roche treten sie als Duo auf, durchaus erfolgreich. Es folgen weitere Ereignisse in seiner Biografie, er lernt Micheline kennen, seine Lebensgefährtin, er wird Vater, der Krieg ist zu Ende, irgendwann werden Pierre und er endlich richtig gut bezahlt, und irgendwann sitzt Edith Piaf im Publikum. Die lädt die beiden zu einer Abendgesellschaft ein. Und Edith engagiert die beiden gleich als Vorgruppe auf ihrer Tournee. Und dann: New York mit der Piaf? Doch weil sie keine Visa haben, müssen sie erst einmal auf Ellis Island abhängen. Aber weil der Immigration Officer von ihrem Gesang angetan ist, kommen sie ins Land. Aber aus New York wird nichts, die Piaf schickt sie nach Montreal. Dort sind sie recht erfolgreich, aber bald taucht die Frag auf: Soll Charles mit Pierre in Kanada bleiben, oder soll er zurück zu seiner Familie nach Frankreich? Und braucht er vielleicht Paris als Inspiration?

Grand Corps Malade: „Wir mussten alles lesen, angefangen bei seinen beiden Autobiografien und den journalistischen Werken, seine 1.200 Lieder anhören, alle Dokumentarfilme und Interviews ansehen und dann eine Auswahl treffen“, erzählt Grand Corps Malade, die eine Hälfte des Regieduos des Films „Bei den Liedern wollten wir, dass man seine Klassiker, aber auch weniger bekannte Titel zu hören bekommt. Wir hatten auch das Glück, Zugang zu seinen Archiven zu erhalten und mit seinen Verwandten und Mitarbeitern zu sprechen, die uns alle ihr Vertrauen geschenkt haben. Dann haben wir einen Zeitstrahl seines Lebens mit den wichtigsten Ereignissen erstellt.“ Sein Regiepartner Mehdi Idir erzählt: „Die erste Version unseres Drehbuchs umfasste mehr als 200 Seiten, was einem vierstündigen Film entspricht! Wir mussten sowohl beim Schreiben als auch beim Schneiden kürzen, uns auf das Wesentliche seines Lebenslaufs konzentrieren und darauf achten, dass die Erzählung einen Rhythmus hat.“

Das macht über weite Strecken sehr viel Spaß, insbesondere etwa die Begegnung Aznavours mit Edith Piaf – die Piaf ist die stärkste Figur des Films. Zwischendurch hängt mir die Story aber auch ganz schön und ist mir zu sehr Abarbeitung der Biografie. Die Schauspieler sind toll, das Szenenbild erzählt viel über die Zeit, die Musik ist natürlich grandios. Aber für 134 Minuten reicht mir das nicht ganz.

CHARLES AZNAVOUR Tahar Rahim
PIERRE ROCHE Bastien Bouillon
EDITH PIAF Marie-Julie Baup
AÏDA Camille Moutawakil
MISCHA Hovnatan Avedikian
RAOUL BRETON Luc Antoni
MICHELINE RUGEL Ella Pellegrini

Originaltitel: Monsieur Aznavour

Produktionsland/-jahr: Frankreich 2024

Genre: Biopic, Musikfilm

Regie: Mehdi Idir, Grand Corps Malade

Darsteller: Tahar Rahim, Bastien Bouillon, Marie-Julie Baup

Lauflänge: 134 min

FSK: 0

Kinostart: 22.05.2025

MEHDI IDIR & GRAND CORPS MALADE
Mehdi Idir, geboren 1982 in Saint-Denis, ist ein französischer Regisseur und Kameramann. Er begann seine Karriere mit Musikvideos und arbeitete hier bereits eng mit Grand Corps Malade zusammen. Idir ist bekannt für seinen realistischen Stil und seine Fähigkeit, emotionale Geschichten authentisch zu erzählen.
Grand Corps Malade, bürgerlich Fabien Marsaud, geboren 1977 in Le Blanc-Mesnil, ist ein französischer Poetry-Slammer, Musiker und Regisseur. Nach einem Unfall im Jahr 1997 begann er, Texte zu schreiben und wurde zu einer Schlüsselfigur der französischen Poetry Slam-Szene. Zusammen mit Mehdi Idir führte er bereits Regie bei LIEBER LEBEN (2016), einem Film, der auf seiner eigenen Rehabilitationserfahrung basiert. Das Duo setzte seine Zusammenarbeit mit LA VIE SCOLAIRE – SCHULALLTAG (2019) fort, einer Geschichte über das Leben in einer Pariser Schule. 2024 veröffentlichten sie MONSIEUR AZNAVOUR, eine Hommage an den legendären französischen Sänger Charles Aznavour mit Tahar Rahim in der Hauptrolle. (Pressetext)
Filmographie:
2024 MONSIEUR AZNAVOUR
2019 LA VIE SCOLAIRE – SCHULALLTAG
2016 LIEBER LEBEN

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