
Yoshii ist ein junger, geschäftstüchtiger, aber auch rücksichtsloser Händler, der Restposten und Ramschware billig aufkauft und teuer weiter verkauft. Den verzweifelten Tonoyamas kauft er einige Kartons an Sachen ab, für schäbig wenig Geld, verzweifelt müssen diese seinem Dumpingangebot zustimmen. Yoshii weiß was er tut, er fotografiert die Sachen schön, irgendwelcher Technikkram, und bekommt im Internet ein Vielfaches für die Waren. Zack, das Zeug geht weg wie geschnitten Brot. Derweil will der Chef der Großwäscherei, in der Yoshii eigentlich arbeitet, ihm eine Beförderung anbieten. Einen tollen Manager würde er abgeben. Er sieht das nicht. Yoshiis Lebensgefährtin Akiko derweil, überlegt aus ihrer Wohnung auszuziehen um aus finanziellen Gründen zurück zu ihren Eltern zu ziehen. Doch Yoshii hat größere Pläne: Zunächst kündigt er seinen Job in der Wäscherei, er hat es satt, das zu tun, was andere ihm sagen. Und Akiko, so meint er, solle doch ihren Job auch kündigen. Er erwägt beim Onlineauktionsstartup seines Freundes Muraoka einsteigen, mit ordentlich Geld. Aber zunächst investiert er sein frisch verdientes Geld lieber selbst und zieht in ein abgelegenes Haus im Wald an einem See, um dort sein Geschäft zu expandieren. Akiko findet das zunächst traumhaft, aber die Einsamkeit mitten im Wald hat so ihre Tücken: Es ist ganz schön unheimlich. Als dann auch noch jemand nachts eine Scheibe einwirft, steht den beiden der Schrecken ins Gesicht geschrieben. Sind sie in der ländlichen Gegend unerwünscht? Und sogar die Polizei hegt Misstrauen: Verkauft Yoshii vielleicht gefälschte Produkte? Und dann bahnt sich im Internet auch noch ein regelrechter Shitstorm an. Und bald durchziehen Todesdrohungen das Netz Was steckt dahinter? Und schon befinden wir uns in einem tödlichen Thrillersetting.
Kiyoshi Kurosawas Thriller CLOUD erlebte seine Premiere in Venedig, in den Hauptrollen sind Masaki Suda und Kotone Furukawa zu sehen. Kurosawa, Jahrgang 1955, erhielt beim Nippon Connection Festivals bereits 2016 einen Preis, den Nippon Honor Award. Auch in Cannes wurde er schon ausgezeichnet: Dort erhielt er zweimal den Prix Un Certain Regard, nämlich 2008 für TOKYO SONATA (NC ’16) und 2015 für JOURNEY TO THE SHORE (NC ’16).
„In den abgelegensten Winkeln des modernen Japans kommt es manchmal scheinbar grundlos zu Gewaltausbrüchen“, erläutert Kiyoshi Kurosawa. „Bei der Untersuchung der Ursachen wird deutlich, dass eine Art System existiert, in dem sich kleinlicher Groll und Frustration anhäufen und durch das Internet aufgebauscht werden. Ich fragte mich, ob ein solches Phänomen als Stoff für einen Actionfilm dienen könnte, und begann, dieses Projekt zu entwickeln. Der Protagonist ist ein ganz normaler Mann, der sich mit seinen Machenschaften, mit kleinen Vermögen Geld zu machen, auch nur den geringsten Vorteil gegenüber anderen verschaffen will. In dieser Geschichte zieht er sich leichtfertig den Zorn seiner Mitmenschen zu und wird schließlich in einen tödlichen Kampf hineingezogen, bei dem sein Leben auf dem Spiel steht. Im Laufe der Dreharbeiten wurde mir jedoch klar, dass dies kein Actionfilm werden würde, der einen einfach nur mit einem Gefühl der Begeisterung zurücklässt.“
CLOUD hat über lange Strecken die äußere Anmutung eines Dramas, einer persönlichen Story, die sich erst im Verlauf der Geschichte zu einem Thriller und damit so richtig zu einem Genrefilm entwickelt. Das ist durchaus eine raffinierte Genreverschiebung, was ja auch riskant gewesen sein hätte können – weil der Zuschauer plötzlich nicht mehr das hat, womit er am Anfang gerechnet hat. Kurosawa erzählt das aber durchaus raffiniert, auch wenn man zunächst über die Diskrepanz zwischen der nüchternen Erzählweise der Story und der Genredramatik verwirrt ist. Über weite Strecken gelingt also diese Genremelange, auch wenn mir das im letzten Drittel dann doch etwas zu gedehnt ist – dennoch sollte man diesen Film in die Festivalbesuchsplanung in jedem Fall aufnehmen.
CLOUD ist am am 29. und am 31. Mai 2025 beim Frankfurter Nippon Connection Filmfestival zu sehen, Tickets gibt es hier: