Fanni – Oder: Wie rettet man ein Wirtshaus? ab 24.04.2025 im Kino

Dokumentarfilm; Deutschland 2024; Regie/Buch/Kamera: Hubert Neufeld; Schnitt: Hubert Neufeld, Felix Berlet; Weitere Kamera: Lukas Leonhardt, Max Lamm, Michael Baumberger, Tenzin Sherpa, Kim Steinocher; VFX: Kevin Müller; Ton: Tom Holderried; Ton Postproduktion: Studio4; Sounddesign & Mischung: Benedikt Mühle; Musik: Ruben Hein, Gijs Batelaan, Katrin Czerny; Produktion: HTN Films; Laufzeit: 92 Min.; Premiere: 11.01.2025; Kinostart: 24.04.2025

Hubert Neufeld ist ein Münchner Kameramann und Regisseur, Jahrgang 1988. Er hat einige Werbefilme gedreht, etwa einen für den BMW ix m60, beim Sound dafür hat er mit Hans Zimmer zusammengearbeitet. Oder einen über die Kooperation von RB Leipzig mit dem Fahrradhersteller Specialized. Dokumentarfilme hat er auch schon mehrere gemacht, „Apropos“ über die Verkäufer einer Salzburger Straßenzeitung, „Kernholz“ über einen österreichischen Schwemmholzkünstler, „Weiter, immer weiter“ über die Fußballbundesliga in den Zeiten von Corona, oder „Sounds of the South“ über den holländischen Musiker Ruben Hein, der Arktis und Antarktis bereiste.

Hubert Neufelds neuer Dokumentarfilm „Fanni – Oder: Wie rettet man ein Wirtshaus?“, der am 24. April 2025 in die deutschen – naja eher weitgehend in die bayerischen – Kinos kommt ist wiederum thematisch so weit von den BMW-Werbefilmen entfernt, wie man es sich nur vorstellen kann. Außer, dass eben beides mit Bayern zu tun hat. Es geht um Solidarität, um eine Dorfgemeinschaft und um die Rettung bayerischer Wirtshauskultur. Man stelle sich, als Vergleich, hier in Berlin vor, die Kiezbewohner würden ihre Eckkneipe retten.

Wir befinden uns in Pischelsdorf, heutzutage Ortsteil von 85293 Reichertshausen, ein paar Kilometer nördlich von München. Bis 1971 war Pischesldorf, sagt Wikipedia, eine eigenständige Gemeinde, Einwohner gibt es 473, im Jahr 957 erstmals urkundlich erwähnt, die Sehenswürdigkeit ist die katholische Filialkirche St. Michael, „eine verputzte Saalkirche mit Lisenengliederung, eingezogenem Polygonalchor und nördlichem Chorflankenturm mit oktogonalem Aufsatz und verschindelter Zwiebelhaube und Langhaus und Chor mit Stichkappentonnen“. Das kulturelle Zentrum Poschelsdorf war urzeitenlang die „Tafernwirtschaft“ Riedmair, bis Ende der Achtziger Franziska aka Fanni Riedmair starb und die Restauration fürderhin in einen 40 Jahre währenden Dornröschenschlaf fiel. Die Tür wurde abgeschlossen und es gab keine Wirtschaft mehr. Es war nicht die einzige Gaststätte, die in jener Gegend schloss, es waren etliche, die dicht gemacht hatten. Ein regelrechtes Wirtshaussterben. Nicht nur ein Verlust an bayerischer Kultur, vor allem auch ein unersetzlicher Verlust an Sozialleben.

Auf dem Sterbebett verlangte Fanni, so hieß es, dass das Wirtshaus erhalten bleiben müsse. Deshalb wurde das Gebäude immerhin nicht angetastet, aber als Wirtshaus blieb es eben dicht. 2019 taten sich ein paar Dorfbewohner zusammen, mit einem Ziel: Die Fanni soll gerettet und wiedereröffnet werden. Aber zieht das Dorf mit? Oder stehen eine Handvoll Engagierter alleine da? Eigentlich startete das Ganze mit der dörflichen Öffentlichkeitsarbeit, denn möglichst viele mussten mitmachen. Ein Treffpunkt in der Dorfmitte sollte wieder erstehen. Aber: das brauchte nicht wenig Geld und noch viel mehr Arbeitseinsatz. Im Feuerwehrhaus gab’s die erste Versammlung und die war erfreulich gut frequentiert. Ungefähr 100 Leute interessierten sich. Man brauchte neben den handwerklich Begabten kreative Leute, Menschen, die die Begeisterung einbringen, Organisationstalente. 50 Leute brachten regelmäßig ihre Arbeit in der Freizeit ein. Man benötigte ein Logo, so etwas wie ein Marketingkonzept.

Und dann kommen die ganzen alten Geschichten, von den Dorfbewohnern, die bei Fanni ihr erstes Bier getrunken hatten, von dem neuen Dorfbewohner, dem Fanni beinahe den Zugang verweigert hatte, weil er eben ein Fremder war: „Fremde lasse ich hier nicht hinein“, meinte sie wohl so oder so ähnlich. „Fanni, das war bei uns das Schönste, was es gegeben hat“, sagt einer der älteren Dorfbewohner.

Also gehen die Arbeiten an dem alten Haus los, jeder brachte seine Fähigkeiten ein, Dach abdecken, renovieren, sanieren, Dach decken. Die Innenarbeiten. Und dann gibt es Probleme: Es sind keine Ziegel mehr da. Was nun? Erst einmal wird das Dach mit Planen abgedeckt.

Inzwischen äußert sich Gerhart Polt zur Kultur des Wirtshauses: eine Piazza mit Dach, sagt er, und er redet über die besondere Bedeutung des Wirtes, der Wirtin für die Besucher. Eine Stadtplanerin kommt zu Wort, ein Kulturhistoriker, ein Heimatpfleger berichtet von der Bedeutung der Wirtshäuser.

Und dann kommen endlich die Ziegel: „Jetzt sind wir eigentlich nicht mehr zu bremsen“, sagt einer. Dann werden die Wirtshausmöbel von der örtlichen Schreinerei saniert, oder sie werden eben neu beschafft, wo es nicht mehr geht. Und schon der Bau ist so unglaublich gemeinschaftsfördernd. Endlich redet man auch mit den Leuten, die man bisher vielleicht nur gegrüßt hat. Und vor allem hat das Projekt Alteingesessene und Auswärtige zusammengebracht. Auch zugezogene Sachsen und Schwaben gehören nun mit dazu. Die Monate gehen ins Land, die Eröffnung naht. Aber wie soll die „Fanni“ mit Leben gefüllt werden?

Hubert Neufeld erzählt ein grandioses Stück bayerischer Dorf- und Kulturgeschichte, voller Liebe und Zuneigung. Er zeigt ein vorbildliches, gemeinschaftliches Genossenschaftsprojekt einer Dorfgemeinschaft, das ja vielleicht auch Nachahmer in anderen Dörfern findet. Neufeld gelingt ein wundervoller Film über ein ebenso vorbildliches Projekt, ein Film, der auch außerhalb von Bayern auf Interesse stoßen könnte. Gut, man müsste vielleicht den ein oder anderen Satz untertiteln.

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