Die Stadt des 12. bis 16. Jahrhunderts in Brandenburg und Pommern – Neuerscheinung im BeBra-Verlag

Mein Blick auf die Geschichte von Städten ist weitgehend geprägt von meinem Interesse an der Geschichte der Stadt Berlin, von ihrer Entwicklung zur Metropole – oder konkret auch der Entwicklung der Dörfer um Berlin im Wachstum der Stadt – bis diese schließlich von der Großstadt „einverleibt“ wurden. Im Jahr 2022 fand im Dominikanerkloster Prenzlau eine Tagung mit dem Titel „Die Stadt als zentraler Ort in Brandenburg und Pommern vom 12. bis zum 16. Jahrhundert“ statt, aus der nun dieser im BeBra Verlag erschienene Sammelband erschien.

Die Aufsatzsammlung beginnt mit Felix Biermanns reich bebilderten Text zu Stadtgründungen im 12. und 13. Jahrhundert und zu den Urbanisierungsphasen Pommerns und Brandenburgs im Mittelalter. Biermann beschreibt die ersten protourbanen Zentren im seit dem 7. Jahrhundert von Slawen besiedelten Brandenburg und Pommern in Form von Seehandelsplätzen. Zu den frühmittelalterlichen Seehandelsplätzen gehörten etwa Ralswiek auf Rügen, Wollin und Kolberg-Altstadt, jeweils an Flussmündungen, Naturhäfen oder Buchten. Verbindungen nach Skandinavien sind belegt, etwa schiffsförmige Steinsetzungen in Ralswiek. Die Handelsorte gehörten zu einem Fernhandelsnetzwerk zu Land und zu Wasser, das bis in den Orient reichte – vermutlich war übrigens auch Sklavenhandel Teil dieses Netzwerkes. Dem ökonomischen Boom des Handels folgte die Bildung von Stammesherrschaften und der Bau von großen Burgen im 8. Jahrhundert. Ab dem späten 10. Jahrhundert entwickelten sich dann befestigte „Burgstädte“ innerhalb eines Burgwalls; dazu gehören Stettin, Wollin und Berlin-Spandau. Im Hoch- und Spätmittelalter übernahmen schließlich die Rechts- und Lokationsstädte die entscheidende Rolle in der frühen Urbanisierung.

Einer der spannendsten Aufsätze – und auch der am schönsten illustrierte, nämlich durch Postkarten aus der Sammlung des Verfassers und durch eigene Luftaufnahmen – ist Fred Ruchhöfts Text „Rügens Städte im Mittelalter und in der frühen Neuzeit“. Der Historiker und Archäologe ist Leiter des kleinen Natur-Museums in Goldberg, zwischen Schwerin und Waren. Rügen, „Deutschlands schönste Insel“, wie Rüchhöft schreibt, besaß einige Burgen, die zunächst als heilige Stätten und im Lauf des 12. Jahrhunderts als Fluchtburgen Verwendung fanden. Eines der Heiligtümer war die Tempelburg Arkona, deren Spuren sich bis ins 9. Jahrhundert zurückverfolgen lassen und die dafür sorgte, dass Arkona zum wichtigsten Zentrum der Insel wurde, obwohl es abseits der Routen lag. Der zweite wichtige Ort war Karenz, wohl eine Fluchtburg an einem im Moor kaum zugänglichen Ort. Darüber hinaus spielten im Mittelalter natürlich die Hafenplätze eine Rolle, dennoch sind die archäologischen Nachweise spärlich. Der wohl am längsten ohne Unterbrechungen genutzte Hafen ist der von Ralswiek, die Siedlung geht bereits auf Mitte des 9. Jahrhunderts zurück. Nach einer zwischenzeitlichen Zerstörung – aus jener Siedlungszeit stammt ein Schatz mit orientalischen Münzen – boomte Ralswiek wiederum im 10. und 11. Jahrhundert. Zum bedeutendsten Zentrum für Rügen entwickelte sich dann aber seit dem 13. Jahrhundert eine Siedlung, die gar nicht auf der Insel liegt, sondern auf dem Festland: Stralsund, mit heute fast 60.000 Einwohnern. Die Lage an der Sunddurchfahrt war günstig, der Hafen ideal. Die Stadt Stralsund „kontrollierte nicht nur den gesamten Außenhandel mit und von der Insel“, schreibt Ruchhöft, „sondern wurde im Mittelalter zusammen mit ihren geistlichen Einrichtungen die größte Grundbesitzerin auf Rügen. Im Jahr 1408 erwarb die Stadt urkundlich verbrieft das Monopol über den gesamten Getreidehandel der Insel Rügen.“ Auf Rügen selbst entwickelten sich drei weitere Zentren: Bergen, das schon bald zum wirtschaftlichen Zentrum der Insel wurde, allerdings erst im 17. Jahrhundert das Stadtrecht erhielt, sowie Gingst und Sagard.

Machen wir einen Sprung im Buch nach hinten, über etliche, äußerst lesenswerte Abschnitte hinweg, etwa Pawel Guts Beitrag über Stettin, Dirk Schleinerts Text über Stralsund und die Hanse, Gunnar Möllers Kapitel über die wirtschaftliche Bedeutung Stralsunds im späten Mittelalter und viele mehr. Einer der spannendsten Texte ist aus meiner Sicht Heinrich Kaaks „Schule und Bildung in Prenzlau 1336 bis 1620“. Kaak ist Professor für Allgemeine Geschichte der Frühen Neuzeit in Potsdam. Um 1620 hatte die knapp 100 Kilometer nördlich von Berlin liegende Stadt um die 5.000 Einwohner, heute sind es nicht ganz 20.000. Spätestens seit 1336 findet in Prenzlau Schulunterricht statt, noch bevor eine Schule eingerichtet wurde. In der Folge gab es sporadisch Meldungen über schülerbezogene Vorgänge, das erste richtige Schulhaus existierte ab 1573. 1586 gab es dann ein aus öffentlichen und privaten Mitteln finanziertes neues Schulhaus, es existiert eine Liste der Spender. Kaak analysiert detailreich die verschiedenen Schulämter und deren Inhaber, die Rectores, die Conrectores, die Chorleiter, die Rektoratsgehilfen, die Hilfslehrer und die Auditores. Er analysiert anhand der Immatrikulationslisten, wie viele Studenten die Prenzlauer Schulen hervorbrachten und an welchen Universitäten sie studierten, dazu gehörte zunächst vor allem Leipzig, später Greifswald und Frankfurt/Oder, in einzelnen Fällen aber auch Rostock, Prag Krakau und Bologna. Im Abschnitt „Autoren“ trägt Knaak dann die in jenem Zeitraum in Prenzlau publizistisch tätigen Menschen zusammen, eine erstaunlich lange Liste angesichts der Tatsache, dass es in Prenzlau keine Universität gab. Zu diesen Autoren gehört beispielsweise der 1542 in Bernau geborene Schriftsteller und Dramatiker Georg Rollenhagen, der einige Jahre seiner Jugend in Prenzlau verbrachte und dann in Wittenberg studierte. Sein bekanntestes Werk ist „Der Froschmäuseler oder Geschichte des Frösch‘- und Mäusekriegs“, ein Volksbuch, das Rollenhagen unter dem Psesudonym „Marx Hupfinsholz von Mäuseloch, der jungen Frösche Vorsinger“ veröffentlichte.

Doch der Dreißigjährige Krieg bedeutet auch für die Bildung in Prenzlau eine Zäsur. Knaak schreibt: „Durch den Krieg ging also auch in Prenzlau neben vielem anderen die Fähigkeit, Mittel für Bildung aufzuwenden, zurück. Auf Grund der veränderten politischen Lage als für längere Zeit verarmte Frontstadt gegen über Schwedisch Pommern verlor Prenzlau seine Position im Kreis der führenden brandenburgischen Städte.“

Den Autoren gelingt jedenfalls auch einen für Nicht-Historiker wie mich spannenden Sammelband zusammenzutragen, mit eindrücklichen, spannenden Beiträgen.

Felix Biermann (Hg.), Stephan Diller (Hg.), Katrin Frey (Hg.), Klaus Neitmann (Hg.)

Die Stadt des 12. bis 16. Jahrhunderts in Brandenburg und Pommern

Urbane Zentralitäten im Vergleich

Einzelveröffentlichungen der Brandenburgischen Historischen Kommission e.V. [XXVIII]

Gebunden, 372 Seiten, 17,5 x 24,8 cm, 187 überwiegend farbige Abbildungen
ISBN 978-3-95410-336-2
1. Auflage, Februar 2025

52,– €

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